Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
sobald etwas Frommes, Gottesfürchtiges passiert oder gesagt wird, der Teufel fürchtet das Weihwasser. Schließlich verbirgt sich im Hund Mephisto: Das also war des Pudels Kern.
Das rustikal Altdeutsche, wo man seinen Gefühlen und dem Druck von Bauch und Blase freien Lauf lässt, kommt auch in dem altfränkischen Diplomatenwitz über die greise Queen Victoria zum Ausdruck.
Empfang des diplomatischen Korps bei Ihrer Majestät der Königin. Sie hält eine Begrüßungsrede. Da passiert ihr ein Malheur, es entfährt ihr, deutlich hörbar, ein Wind.
Galant springt der französische Botschafter auf und ruft der Königin zu: »Excusez-moi, Madame, ich bedaure sehr!«
Die Königin spricht weiter. Es passiert ihr das gleiche Malheur.
Diesmal springt der italienische Gesandte auf und nimmt mit einem »Scusi!« und einer Verbeugung alle Schuld auf sich.
Wie im Witz so gang und gäbe und sozusagen strukturbildend für den Witzverlauf, passiert ihr das Missgeschick, sie ist schon sehr alt, ein drittes Mal.
Zackig springt der Botschafter des Deutschen Kaiserreichs auf, schlägt die Hacken knallend zusammen, beugt sich ebenso zackig in Richtung Königin und sagt: »Dieser und die folgenden drei gehen zulasten des Deutschen Kaiserreichs!«
Vielleicht hat dieser Witz von anno Tobak einst an Biertischen dröhnendes Gelächter hervorgerufen. Zeigte er doch, mit welcher Selbstironie der Deutsche über seinen etwas polternden Charme zu scherzen und zu witzeln versteht.
Hier an diese Stelle passt eine Anekdote über Marilyn Monroe,die sie wohl auf dem Set von Some Like It Hot ihren Kollegen und ihrem Regisseur Billy Wilder erzählt hat.
Marilyn war damals mit Arthur Miller verheiratet. Er machte mit ihr seiner alten jüdischen Mutter, die beengt in Brooklyn lebte, einen Anstandsbesuch. Und Marilyn musste mal. Das Klo war neben dem Living Room, die Monroe genierte sich wegen der Geräusche, die sie produzieren würde. Also drehte sie den Wasserhahn weit auf, um einen »Klangteppich« zu schaffen.
Als ihr Sohn das nächste Mal auf Besuch kam, sagte ihm seine Mutter anerkennend: »Eins muss man dieser Frau lassen. Sie brunzt wie ein Pferd!«
Mit »brunzen« hat mir Wilder diese Geschichte in die Wiener Sprache seiner und meiner Kindheit übersetzt.
Gerade natürliche Geräusche, die man zu verheimlichen, zu verstecken und zu verbergen sucht, brechen sich im Witz Bahn – wie Wildbäche bei starken Regenfällen. Aber das wäre im Fall der Monroe eine wirklich schamlose und unpassende Übertreibung.
Ein Mensch, der schlecht lebt wie der Hund dank des Menschen, lebt in der Redensart »wie ein Hund«, führt »ein Hundeleben« – »Es möchte kein Hund so länger leben!« (Goethe). Vom Ende des Sozialismus gibt es einen Witz, der in den drei ehemaligen sozialistischen Ländern Polen, Ungarn und Rumänien spielt. Er spiegelt ganz genau die Unterschiede des Lebens in diesen Staaten.
Treffen sich nach dem Ende der sozialistischen Diktaturen drei Hunde.
Sagt der polnische Hund: »Ich hatte nichts zu fressen, aber ich durfte bellen.«
Sagt der ungarische Hund: »Ich hatte genug zu fressen, aber bellen durfte ich nicht.«
Der rumänische Hund schaut sie traurig an: »Was ist Bellen? Was ist Fressen?«
So ein Witz verkürzt die Wahrheit auf eingängige Bilder:
In Polen, mit dem aufrührerischen Geist der Bevölkerung und dem Widerstand der Kirche und der Gewerkschaften, war die Versorgungslage desaströs, aber es gab eine gewisse Freiheit der Meinungsäußerung, die sich die anarchisch und freiheitlich gestimmten Menschen einfach leisteten, aller Repression zum Trotz.
Ungarn schlug die Revolution von 1956 blutig nieder, Kádár aber versuchte, das Volk mit dem sogenannten Gulaschkommunismus stillzuhalten.
Die Geschichte im Sozialismus Rumäniens ist auch eine Blamage für westliche Fehleinschätzung. Das Land, das sich unter Ceau ş escu von der sowjetischen Kandare außenpolitisch löste, also blockfrei war und damit zu den Lieblingsstaaten des Westens gehörte, war im Innern der repressivste Staat mit der schärfsten Geheimpolizei und dem größten wirtschaftlichen Elend. Davor verschloss der Westen geflissentlich und anbiedernd seine Augen.
Es gibt Witze, die beruhen ganz und gar auf realistischen Gegebenheiten. Sie spielen in unserem banalen Leben, im Restaurant, in der Bar, im Club, im Bierbeisl. Andere spielen geradewegs mit dem Gegenteil. Ihre Wirklichkeit ist surreal, unwirklich,
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