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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
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nur nicht Europa, waren also in einer noch eurozentrierten Welt Exoten für den Menschen. Es gibt von ihnen 355 Arten (nach einer geschätzten Zählung des Jahres 1868 ).
    Gilt der Affe als das Spiegelbild und Zerrbild des Menschen, der Hund als sein ältester Hausgenosse und Jagdgefährte, das Pferd noch in der Pferdestärke, den PS der Motoren, als Transportmittel, so ist der Papagei ein Luxusgeschöpf, das der Mensch brauchte, als er noch »keine Ansprache« hatte: weder Telefonnoch Handy, noch Radio, noch Kino oder Fernsehen. Das Gefieder des Tieres schien so bunt und prächtig, dass Diktatoren aller Couleur nicht nur in Afrika und Südamerika papageienhafte Uniformen trugen. Der Papagei war treu, monogam, häuslich, weil er als flugfaul galt, er war langlebig, überlebte oft sein Herrchen oder Frauchen, er war nicht immer ein angenehmer Genosse, weil er launisch sein kann, jähzornig, wütend und eifersüchtig. So hat man ihn vor sich, wenn man an die europäische Zivilisation des 19 . Jahrhunderts denkt, er sitzt auf einer blitzenden Messingschaukel in Räumen mit schweren samtenen Vorhängen, unter Nippes, bildet die bevorzugte Gesellschaft von spleenigen Engländern, von Sonderlingen und Einzelgängern, Witwern und Witwen, alten Jungfern, von Hagestolzen, die außer mit ihm noch kaum ein »betreutes Wohnen« kannten.
    Der Papagei ist possierlich und voll unfreiwilliger Komik, Brehm verewigt besonders hervorragende Exemplare und Unikate der Gattung in seinen Büchern, zum Beispiel den Jako »einer hochstehenden Dame«, der lange in Ostindien gelebt hatte und Holländisch sprach, bevor er in drei Sprachen schwatzen konnte und sich fordernd für seine Bedürfnisse zu Wort meldete, etwa wenn er Durst hatte: »Papchen will Klukkluk machen.« Oder Hunger: »Papchen will was zu fressen haben.« Wurde seinem Verlangen nicht gleich nachgegeben, legte er nach: »Papchen will und muss aber was zu fressen haben.« Den Morgen begrüßte er mit »Bonjour«, den Abend beendete er mit »Bonsoir«. Er pfiff wunderbar und fromm die Melodie: »Ich dank dir schon durch deinen Sohn«, sagte: »Das Papchen muss mal singen«, und trug dann die melancholisch-philosophische Einsicht vor: »Ohne Lieb und ohne Wein, / Können wir doch leben.« Ein wunderbarer Lebensgefährte also, der sich allerdings in Wut die Federn ausriss, und als man ihn daraufhin badete, um das zu verhindern, schrie und kreischte und bettelte er: »Papchen doch nicht nass machen.«
    Er war treu bis zum Tod, den er erlitt, nachdem er an einen alten Verwandten des Hauses, der kindisch geworden war und ihn kindisch liebte, verschenkt worden war und alle anderen sich tränenreich von ihm verabschiedet hatten.
    Welch ein Leben, welch eine Freundschaft, welch eine Gesellschaft! Allerdings macht Brehm eine Einschränkung seiner Wertschätzung und weist auf die haltlose Gossensprache hin, auf das Fluchen, die vulgären Ausdrücke und Verwünschungen, die der Papagei ausstoßen konnte und die das böse Herz der meisten Papageienwitze werden sollte.
    Brehm nennt als Grund dafür die »Erziehung« des Vogels: »Die ersten Lehrmeister des Papageis pflegten die Matrosen zu sein, welche später oft in den Bediensteten des Hauses entsprechende Hülfe finden.«
    So kam der sprechende Vogel über die viktorianische in die josephinische, napoleonische, wilhelminische Welt: »Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß in solcher Schule der Wortschatz des Papageis nicht immer mit dem edelsten und feinsten bereichert wird.« Da geht es den Papageien wie den Menschen: »Leider kommen später auch dem wohlerzogensten Vogel oft genug alte Worte wieder in Erinnerung, und mitten unter seine hübschen Sätze und Redensarten mischt er die rohesten und die gemeinsten.«
    Beim Menschen würden wir das vulgäre Ausbrechen in einer zwanghaften Fehlentwicklung durch den Überdruck der Erziehung zu Sitte und Anstand Tourette-Syndrom nennen, Gilles-de-la-Tourette-Syndrom (nach dem Pariser Neurologen, Georges Gilles de la Tourette, 1857 – 1904 ). Seine Entdeckung fällt also in die Zeit Freuds. Und viele Witze, nicht nur die über Papageien, sind »gezähmte«, also »kultivierte« Ausbrüche dieser »maladie des tics«, die vor allem Kinder und Heranwachsende als Neurose überfällt, sich im »wilden Zucken, Augenzwinkern, Mundverzerren, Zungenschnalzen« manifestiert. Ist dasnicht eine treffliche, nur leichte Übertreibung der Haltungen, der Gestik und Mimik beim Witzeerzählen? Und nun

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