Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
kommt die Hauptsache: Das Tourette-Syndrom äußert sich vor allem sprachlich, in der »Koprolalie«, die der Pschyrembel (das klinische Wörterbuch) als »zwanghaften Gebrauch vulgärer Ausdrücke (häufig aus dem Bereich der Fäkalsprache)« definiert.
So ließen sich weite Teile des Witzes definieren, viele Papageienwitze natürlich darunter. Ich habe sie an meinem Sohn als befreiende Begleiterscheinung der Erziehung zur »Stubenreinheit« und Sauberkeit erlebt, als sich der Vierjährige einmal mit ein paar Kindergartenspielkameraden unbeobachtet und unbelauscht wähnte. Da stießen die Kleinen fröhlich krähend das Wort »Kacki-Wurst« aus und konnten sich nicht halten vor wieherndem Gelächter. Es war für ihn die Geburtsstunde des befreienden Witzes, ein Ausbruch aus einer unterdrückten sprachlichen Artikulation, die mir das Freud’sche Prinzip des Witzes, die Ventilfunktion des Gelächters nach dem Druckablassen des Verbotenen und Unterdrückten, wieder einmal veranschaulichte.
Das Tourette-Syndrom steht hoch in Mode, allein zwei Spielfilme handeln 2011 als Tragikomödien davon.
Daher, bevor ich zu den Papageien komme, die nicht immer das Gewünschte, Dressierte sprachlich apportieren wollen, noch ein Witz, den ich Eckart von Hirschhausen verdanke, der ihn einmal bei einem gemeinsamen Witzeabend zum Besten gab.
Ein Porschefahrer findet keinen Parkplatz und stellt sich auf einen, der für Behinderte gekennzeichnet ist. (Das gilt als besonders abscheuliches, rücksichtsloses, ja verbrecherisches Verhalten in unserer Gesellschaft.) Sofort ist eine Politesse zur Stelle, schaut den drahtigen, sportiven Porschefahrer an, sobald er aus dem Auto gestiegen ist, und sagt streng:
»Sind Sie behindert?«
»Natürlich, Tourette-Syndrom, du geile fette Nutte!«
Im zeitlos ewigen Viktorianismus der Papageienwitze spielt die folgende Geschichte:
Da hat eine feingliedrige ältere Lady einen Papagei geerbt. Nehmen wir an, von ihrem raubeinigen Oheim, einem angeheirateten Seebären a. D., der einen guten Tropfen unter Männern mit drastischen Geschichten und Ausdrücken zu schätzen wusste. Jedenfalls muss die Dame, die aktiv in der Kirchengemeinde ihrer Heimatstadt tätig ist, feststellen, dass ihr bunt gefiederter Vogel mit dem harten, krummen, kräftigen Schnabel nicht nur redet, wie ihm dieser gewachsen ist, sondern kräftig flucht, was das Zeug hält. Blasphemisch, grob, fäkalisch, sexistisch. Wie in einer Spelunke am Hafen. Sie geht zu ihrem Pfarrer und erzählt ihm ihren Kummer, verbunden mit der Frage: »Was kann ich dagegen tun? Er ist doch sonst ein so liebes Tier!«
Der Geistliche weiß Rat. Hat er doch selbst einen Papagei, der bei ihm aufgewachsen ist und sich nur fromm und in guten Worten und Gebeten äußert. Es handelt sich dazu noch um eine Papageienlady.
»Wie wär’s, wenn Sie mir Ihren Papagei brächten? Wir tun die zwei zusammen. Und ich bin sicher, dann wird sich der wohltuende Einfluss meines frommen Papageis auf Ihr verrohtes Exemplar durchsetzen!«
Gesagt, getan. Am nächsten Morgen bringt die Dame ihren Papagei ins Pfarrhaus und kurz darauf in die Voliere.
Der Papagei beäugt die Betschwester und kommt dannschnell zur Sache: »How about a little dig?« – Wie wär’s mit einem kleinen Fick?
Der fromme Papagei des Pfarrers plustert sich auf und sagt dann fröhlich:
»Klar. Was denkst du, worum ich die ganze Zeit gebetet habe?«
Auch der folgende Witz handelt scheinheilig von einem frommen Papagei:
Ein Pfarrer kauft sich zu seiner Gesellschaft einen Papagei.
»Sagt der auch bestimmt nichts Unanständiges?«, fragt er den Vorbesitzer, während er den Vogel beäugt.
»Ganz bestimmt nicht!«, beteuert der. »Er ist ein frommes Tier! Sehen Sie die Schnur an seinem Bein? Wenn Sie an der Schnur ziehen, sagt er das Vaterunser auf. Und wenn Sie die Schnur ziehen, die am anderen Bein befestigt ist, spricht er den 23 . Psalm.«
»Wunderbar!«, sagt der Pfarrer. »Was aber geschieht, wenn ich an beiden Schnüren ziehe?«
»Ach du blöder Scheißer!«, krächzt da der Papagei. »Wenn du Blödmann an beiden Schnüren ziehst, dann falle ich auf den Arsch!«
Papageienwitze sind geradezu prädestiniert, die Bigotterie und Doppelmoral drastisch darzustellen. Wozu sonst auch können diese Tiere reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist?
In der nächsten Geschichte hat eine junge, wohlerzogene hübsche Dame einen Papagei als Stubengenossen. Jeden Abend, bevor sie zu Bett geht
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