Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
hatte einen Geist gesehen.
Blessing Ogilvy-Grant war soeben ohne einen Mucks eingetreten.
»Wir müssen los«, herrschte sie Breed an.
»Ich muss mich noch um Mr Bond kümmern.« Breed ließ den Haken mit lautem Scheppern fallen und zog eine kleine Pistole aus der Brusttasche.
Bond musste eine so unerwartete wie unerfreuliche Erkenntnis verarbeiten. Sie warf alles, was er bisher zu wissen glaubte, über den Haufen.
»Für diese Spielchen haben wir keine Zeit«, sagte Blessing. Sie sah Bond mit kalten, ausdruckslosen Augen an.
»Ich weiß«, antwortete Breed. »Aber ich will unseren Frauenheld wenigstens an seiner empfindlichsten Stelle treffen – bevor ich ihn am Kiefer aufknüpfe.«
Er richtete die Pistole auf Bonds Unterleib und drückte ab.
In diesem Bruchteil einer Sekunde drehte Bond sich zur Seite, die Kugel drang knapp unterhalb der Hüfte in seinen rechten Oberschenkel ein und trat mit einem Blutschwall wieder aus. Bond nahm den brennenden Riss in seinem Muskelgewebe wahr und ging krachend zu Boden, was den Rippenschmerz noch verstärkte. Er spürte, wie sein Hosenbein sich mit Blut vollsog.
Draußen rief Hulbert Linck:
»Wir fliegen in zehn Sekunden ab!«
Blessing schnappte sich Breeds Pistole.
»Schluss mit dem Blödsinn!«, fauchte sie und drückte ab.
Die Kugel traf Bond mit voller Wucht in die Brust. Er sank zurück.
Die Tür wurde zugeschlagen, und er merkte, dass er allmählich das Bewusstsein verlor. Die Schatten am Rande seines Sichtfelds verdichteten sich. Er versuchte, sich aufzurichten, aber seine Hand rutschte an seinem eigenen Blut ab, das eine immer größere Lache bildete, und er fiel wieder hin. Am besten nicht bewegen, ermahnte er sich, während es um ihn herum dunkler wurde, schön still liegen. Als Letztes hörte er die Constellation ans Ende der Piste rollen und mit dröhnenden Motoren abheben, die in weiter Ferne verebbten, einfach verebbten …
TEIL DREI:
SOLO FÜR DOPPEL-NULL
1. Pflegliche Behandlung
James Bond stand etwas wacklig unter der heißen Dusche und klammerte sich an die zwei Haltestangen aus Chrom, die zu beiden Seiten der Kabine angebracht waren. Er schloss die Augen, ließ sich das Wasser übers Gesicht laufen und hörte es gegen die Plastikfolie klatschen, mit der seine Verbände an Brust und Oberschenkel überklebt waren. Nach fast fünf Wochen seine erste Dusche. Er genoss sie so sehr, dass sie sich wie die erste seines Lebens anfühlte. Es gelang ihm, die Haare mit einer Hand zu waschen, während er sich mit der anderen abstützte. Danach drehte er den Hahn zu und trat aus der Kabine. Kein Handtuch – er hatte es im Zimmer liegen lassen.
In diesem Moment trat Sheila McRae, seine Lieblingskrankenschwester, mit dem Handtuch ein.
»Da komme ich ja wie gerufen, Commander.«
Bond blieb nackt und triefend auf der Stelle stehen, während Sheila die Verbände überprüfte und dabei munter drauflosplapperte.
»Ist zwar ein bisschen kühl heute früh, aber dafür regnet es wenigstens nicht. Lassen Sie mich mal sehen – alles tipptopp.«
Als Bond sich abgetrocknet hatte, half sie ihm in den Morgenmantel. Er dachte über die seltsame Beziehung zwischen Patient und Krankenschwester nach, die Distanz und Intimität vereinte. Da konnte man im Adamskostüm ausharren, bis die Bettpfanne geleert war, oder bekam einen Katheter in den Penis eingeführt und plauderte gleichzeitig mit der Schwester über ihren Pauschalurlaub auf Teneriffa, als vertriebe man sich die Wartezeit an der Bushaltestelle. Diese Frauen hatten alles gesehen – Vokabeln wie prüde, peinlich, schockiert, angewidert oder verschämt kamen in ihrem Wortschatz nicht vor. Vielleicht machte sie das so attraktiv, zumindest für Männer.
Sheila war Ende zwanzig, hübsch, lebhaft und von jugendlicher Frische. Ihr dickes blondes Haar passte kaum unter das gestärkte weiße Häubchen, das die hiesige Schwesterntracht krönte. Sie hatte zwei Kinder, und ihr Mann arbeitete als Schweißer auf der Werft von Rosyth. Im Lauf seiner Genesungswochen hatte sie Bond eine Menge von sich erzählt. Der verdeckte Charakter seiner Station führte aber naturgemäß zu einer recht einseitigen Unterhaltung.
Langsam liefen sie über den Flur zu seinem Einzelzimmer zurück, Bond immer noch leicht humpelnd. In seiner Oberschenkelwunde steckte ein Drän, ein Gummiröhrchen, das aus seinem Muskel ragte und mit einer Klemme versehen war. Sobald er wieder im Bett lag, würde es mit einer Vakuumflasche verbunden werden, deren
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