SOLO mit PINK LADY - MIT 16 DIE WELT EROBERT
Erkältung losgesegelt war, fühlte sich zunehmend schlechter. Dann änderte sich über Nacht die Windrichtung. Die Anker vieler Boote hielten nicht mehr. Auch unser nicht. Wir haben in dieser Nacht kaum geschlafen, weil wir die Kollision mit anderen Booten vermeiden und den Sturmböen standhalten mussten. Mit dem ersten Tageslicht schöpften wir neue Hoffnung. Wir frühstückten und freuten uns darauf, nach Hause zu segeln.
Doch kaum hatten wir die geschützte Bucht verlassen, nahm der Wind wieder zu und drehte auf Nord – die Richtung, in die wir zu segeln versuchten. Bis zum Mittag kamen wir in der steilen See überhauptnicht voran. Der Wind nahm immer weiter zu. Emily war heftig seekrank, und so blieben mir und Nick die Verantwortung für das Boot und die Anrufe unserer besorgten Eltern. Wir waren nicht ernsthaft in Gefahr, denn die Küste war nah und Hilfe nur einen Funkspruch weit entfernt. Doch der Wind nahm noch weiter zu, und bald schon würde es wieder dunkel werden. Es sah nicht wirklich gut aus.
Bis dahin wäre ich die Erste gewesen, die in einer solchen Situation zusammengebrochen (und – wie ganz am Anfang meiner Bootskarriere – unter dem Salontisch gelandet) wäre. Doch während ich an der Pinne saß und Nick navigierte, wurde mir klar, dass wir aus dieser Situation nur heil herauskommen würden, wenn ich das Gewicht meiner Träume in die Waagschale werfen würde. Wenn ich wirklich Hoffnung auf eine Weltumseglung haben wollte, müsste ich jetzt damit beginnen, mich zu beweisen. Plötzlich war es nicht mehr Nick, der – so wie sonst – die Kommandos gab. Nein, wir trafen die Entscheidungen zusammen. Und, für mich ganz erstaunlich, Nick akzeptierte meine Führung sogar! Klitschnass und erschöpft, wie ich war, sah auf einmal alles ganz anders aus. Der Kampf mit der Pinne machte mir plötzlich richtig Spaß. Die Erkenntnis, dass ich das besser konnte, als einfach nur die Umstände gewinnen zu lassen, setzte in mir ein beglückendes Gefühl frei. Wenn ich heute zurückblicke, würde ich sagen, dass es genau dieser Moment war, in dem die Einhand-Weltumrundung für mich mehr wurde als nur ein entfernter Traum. Während dieses Dramas fand ich mein Selbstvertrauen und entdeckte, dass ich Ereignisse wirklich beeinflussen kann.
Nach dem Abwägen unserer Möglichkeiten und einem Anruf bei unseren Eltern, in dem wir sie über unser Vorhaben informierten, drehten wir bei und surften einem sicheren »Ankerplatz« entgegen. Dort verbrachten wir eine weitere Nacht. Wieder hielt der Anker nicht. Am nächsten Tag setzten wir bei besseren Bedingungen erneut die Segel in Richtung Heimat. Wir starteten mit mehr als nur ein bisschen Beklommenheit in unseren Herzen, doch der Tag stellte sich als perfekt heraus.
Dennoch: Jede Art von triumphaler Einfahrt in den Hafen machte schließlich leider das Ruder zunichte, das, wenige Seemeilen von zu Hause entfernt, einfach abfiel. Im verzweifelten Endspurt eines extremen Segelwochenendes erreichten wir aber trotzdem sicher den Hafen.
Mum und Dad hatten zu dieser Zeit übrigens immer noch nicht aufgegeben, Australien auch landeinwärts kennenzulernen. Anfang 2006 packten wir alle unsere Sachen für eine Busreise die Küste hinunter. Von dort ging es weiter nach Adelaide und wieder hoch nach Birdsville Track, um das Hinterland zu erkunden. Es war ganz anders als das gemeinsame Reisen an Bord eines Bootes, weil wir nicht so oft eigene Wege gehen konnten. Es war spannend, aber wir alle vermissten die Freiheit, die uns das Leben auf dem Wasser gewährt hatte. Wenn wir damals gedacht hatten, dass es auf einem Boot beengt zugeht, dann war es im Bus noch viel schlimmer. Anfangs waren wir begeistert, weil wir viel Neues erlebten. Am glücklichsten war wohl meine Mutter. Sie hat eine gewisse Vorliebe für Leuchttürme. Also stoppten wir auf dem ganzen Weg die Küste hinunter bei jedem Leuchtturm. Dann mussten wir alle sechs einen meist steilen kleinen Pfad an die Spitze einer Landzunge entlangmarschieren, um Gebäude und Aussicht zu erkunden. Der schönste war für mich Wilsons Promontory Lighthouse am südlichsten Punkt Australiens. Von Sträflingen Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet, ist dieser Turm aus Granitstein aus der Gegend gebaut und thront auf einem Riff mit Blick über die oft so wilde Bass-Straße. Es gibt keine Zufahrt zu diesem Leuchtturm, weshalb wir einen ganzen Tagesmarsch benötigten, um ihn zu besichtigen. Aber: Es hat sich gelohnt! Einmal angekommen,
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