SOLO mit PINK LADY - MIT 16 DIE WELT EROBERT
hämmerte bitterkalt und gischtgeladen auf uns ein. Er biss sich in jede exponierte Hautstelle und schmerzte. Während der Orkan weiter an Stärke zunahm, war ich völlig gebannt von den Wellen, wie von Ehrfurcht ergriffen. Ich hatte früher schon hohe Wellen gesehen, aber diese hier waren anders. Sie kamen als riesige Wasserwände angerauscht. Ich hatte sie mir über Jahre hinweg vorgestellt und Bilder des grimmigen Südpolarmeeres an das Schott unserer Familienyacht geheftet. Und doch hatte mich nichts auf ihre Schönheit und ihre Kraft vorbereiten können.
ELLA’S PINK LADY verhielt sich so gut, wie man es von einem kleinen Boot unter Sturmfock erwarten konnte. Trotzdem spielten meine Nerven nach einigen Stunden verrückt. Der Sturm nahm immer weiter zu, und ich schrie dem Boot und dem Autopiloten permanent aufmunternde Worte zu. Wenn hinter uns eine besonders hohe Welle heranrauschte, warnte ich sie mit lauten Rufen, die sogar den heulenden Wind übertönten: »Okay, Mädels, da kommt wieder eine große Welle, seid ihr bereit!?«
Warf ein Wellenberg uns auf die Seite, klammerte ich mich an allem Möglichen fest und schrie weiter: »Haltet durch, haltet durch, kommt schon, ihr schafft das!« Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich mit ELLA’S PINK LADY oder eher mit mir selbst sprach. Während die Welle weiter rollte, surften wir sie hinunter, und ich rief: »Ruhig, nur ruhig!«
Kamen wir dann endlich heil im Wellental an, war es für ein paar Sekunden still (zumindest stiller), weil der Wind von den Wellenbergen auf beiden Seiten abgedeckt wurde. Ich musste also nicht ganz so laut schreien, wenn ich lobte: »Gut gemacht, Mädels, gut gemacht, Team!«Wenn ich fühlte, dass das Boot die nächste Welle hinaufritt, rief ich: »Einmal noch, nur einmal noch. Wir schaffen das!«
Ich bin sicher, dass mir das Brüllen mehr geholfen hat als ELLA’S PINK LADY und dem Autopiloten. Indem ich beständig mit starker und positiver Stimme schrie, habe ich mich beinahe selbst davon überzeugt zu glauben, ich wäre cool, ruhig und gefasst und nicht komplett ausgeflippt.
Es war wie damals unter dem Tisch mit unserem Kanarienvogel Maggie. Ich verschaffte mir Selbstsicherheit, indem ich meine ganze nervöse Energie in die Ermutigung eines anderen steckte. Klingt das total irre? Kann sein, aber es funktionierte. Es geht doch nichts über einen guten Bluff und darüber, so zu tun, als hätte man die Kontrolle, wenn doch eigentlich längst alles außer Kontrolle ist!
Auch nach mehreren Stunden nahm der Wind immer noch zu. Die Wellen waren inzwischen zu tiefschwarzen massiven Bergen mit weißen Flanken herangewachsen. Die weißen Gipfel schäumten und gurgelten, wie sie es sonst nur beim Brechen am Strand tun. Ich konnte an Deck nichts mehr tun und entschied, dass die Zeit gekommen war, mich unter Deck einzukeilen und die Sache auszusitzen.
In der Kajüte dachte ich zunächst, dass der Wind ein wenig nachgelassen hätte. Also folgerte ich, dass wir das Schlimmste überstanden hatten. Ich rief meine Mutter, meinen Vater und Bruce an. Ich war ganz guten Mutes und recht gesprächig. Ich war zwar nervös, aber auch begeistert davon, wie gut wir die Lage gemeistert hatten. Doch nach einer Weile musste ich feststellen, dass sich gar nichts besserte, und vereinbarte Kontrollanrufe für die Nacht. Mit einem Auge auf den Instrumenten konnte ich die Situation nur noch akzeptieren und geschehen lassen – was immer auch geschehen mochte.
Ich musste nicht lange warten. Die erste Kenterung war noch nicht so schlimm. ELLA’S PINK LADY richtete sich schnell wieder auf. Sie schien das Geschehene kurz abzuschütteln und raste die nächste Welle hinunter, bevor ich überhaupt realisiert hatte, was passiert war.
Zwischen dieser ersten Kenterung und unserer zweiten vergingen weitere Stunden. Ich verfluchte mich selbst, weil ich den Baum nicht sicherer festgelascht und die Verschlüsse der Backskisten nicht gründlicher überprüft hatte. Sie sprangen auf und spuckten alle möglichen Objekte auf den Boden, darunter die klotzigen Toughbooks. Um die Toughbooks machte ich mir keine Sorgen (die sind echt tough!), aber um mich selbst und das Boot!
Die zweite Kenterung war heftiger. Ich musste umherkriechen, mich regelrecht einkeilen und alle meine Kräfte zusammennehmen, um nicht durch die Kabine geschleudert zu werden. Der Mast holte weit mehr als 90 Grad über, berührte das Wasser und verharrte dort vermutlich nicht länger als eine
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