Solo
Kaimauer, und ein Junge von elf bis zwölf Jahren sprang mit einem Tau auf den Anlegeplatz. Er trug einen geflickten Pullover und Jeans. Der Kellner zauste seinen Haarschopf, und der Junge lachte, daß die Zähne blitzten.
«Das ist Nicky, Konstantins Enkel, und das ist Konstantin.»
Konstantin Melos war ein kleiner kräftiger Mann, dessen Gesicht von einem Leben auf dem Meer tief gebräunt war. Er trug eine Seemannsmütze, ein kariertes Hemd, geflickte Hosen und Fischerstiefel.
«Lassen Sie sich nicht von seinem Äußeren täuschen», flüsterte der Kellner. «Der alte Gauner besitzt zwei schöne Häuser in der Stadt.» Laut sagte er: «Das ist Mr. Lewis.»
Konstantin rang sich kein Lächeln ab. Er sagte in gebrochenem Englisch: «Wir gehen jetzt, Mister.»
Er machte kehrt und ging ins Steuerhaus zurück.
«Glaubt bestimmt, der Teufel holt ihn, wenn er im Dunkeln noch draußen ist», sagte der Kellner zu Morgan. «Alle gleich, diese Alten. Fast alle alten Weiber glauben, sie sind Hexen. Also, auf Wiedersehen, Mr. Lewis.»
Morgan stieg ins Boot, der Junge sprang hinter ihm hinein, schoß das Tau auf, und das Motorboot fuhr aus dem Hafen, vorbei an dem einst schwer befestigten Fort, dessen venezianische Kanonen hinaus aufs Meer gerichtet waren, als erwarteten sie noch immer einen Einfall der Türken.
Es war ein schöner Abend, wenn auch die etwa sechs Kilometer entfernte Küste des Peloponnes bereits in eine Art purpurnen Zwielichts gehüllt war und an der Küste von Hydra die Lichter in den Fenstern angingen. Das Boot schoß durch die See, als Konstantin Gas gab, und Morgan ging ins Steuerhaus und bot dem Alten eine Zigarette an.
«Wie lange?»
«Fünfzehn, zwanzig Minuten.»
Morgan blickte übers Meer, das tintenschwarz wurde, sobald die Sonne am fernen Horizont hinter der aufragenden Masse der Insel Dokos verschwunden war.
«Schön», sagte er.
Der Alte würdigte ihn keiner Antwort, und nach einer Weile gab Morgan es auf und ging unter Deck in den Salon, wo der Junge am Tisch saß und eine Sportzeitung las. Morgan blickte ihm über die Schulter. Die Titelseite gehörte der berühmten Fußballmannschaft von Liverpool.
«Magst du Fußball?» fragte Morgan.
Der Junge lächelte begeistert und wies auf das Foto. «Liverpool – mögen?» Sein Englisch schien sehr dürftig.
«Also, ich persönlich verbringe den Nachmittag lieber im Arms Park von Cardiff, aber ich muß zugeben, daß Liverpool eine eigene Note hat.»
Wieder grinste der Junge, dann ging er zu einem Wandschrank, öffnete ihn und brachte eine teure PolaroidKamera zum Vorschein. Er richtete sie auf Morgan, es blitzte, und dann wurde der Abzug ausgeworfen.
Morgan sagte: «Das ist aber ein teures Spielzeug. Von wem hast du es?»
«Mister Mikali», sagte Nicky. «Er netter Mann.»
Morgan nahm den Abzug in die Hand und blickte unverwandt darauf hinunter, während das Bild sich automatisch entwickelte und sein eigenes Gesicht in immer kräftigeren Farben ihm entgegensah.
«Ja», sagte er langsam. «Er scheint sehr nett zu sein.»
Das Foto war jetzt fertig. Nicky nahm es ihm aus der Hand und hielt es hoch. «Gut?»
«Ja.» Morgan tätschelte ihm den Kopf. «Sehr gut.»
Das Telefon klingelte. Als Mikali sich meldete, hörte er wieder Katherine Rileys Stimme.
«Ich bin noch immer in der internationalen Abflughalle in Heathrow», sagte sie. «Wir haben Verspätung.»
«Mein armer Liebling.»
«Das klingt ziemlich überschwenglich für dich», sagte sie.
«Ich bin in überschwenglicher Laune.»
«Auf jeden Fall komme ich mit dem ersten Tragflügelboot morgen früh.»
«Ich schicke dir Konstantin hinüber. Sprich nicht mit fremden Männern.»
Er legte auf, als er das Geräusch des näher kommenden Motorboots hörte. Er nahm ein Fernglas, öffnete die Fenstertüren und trat auf die breite Terrasse hinaus. Es war noch hell genug, daß er das Boot in die Bucht einfahren und auf die kleine Mole zuhalten sah, wo die alte Anna, Konstantins Frau, wartete. Das Ende der Mole war beleuchtet. Als der Junge seiner Großmutter das Tau zugeworfen hatte, folgte ihm Morgan über die Reling. Mikali richtete kurz das Glas auf ihn. Es genügte.
Er ging zurück in den Wohnraum, wo ein helles Feuer im Kamin brannte. Er goß sich ein großes Glas Courvoisier ein, tat Eis hinzu und öffnete dann eine Schreibtischlade. Er nahm eine Walther heraus und setzte mit flinken Griffen
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