Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Mann: »Geh dahin zurück, woher du gekommen bist, du schwarzer Teufel!«
Der Wanderprediger lächelte. Seine Zähne waren gelb wie süßer Mais. »Ich gehöre genau hierher.«
Die unsichtbare Stimme rief: »Du bist nicht in Solom geboren. Die verdammten Methodisten haben dich geschickt!«
»Ich kam vor vielen, vielen Jahren selbst als Methodist in dieses schöne Land«, sagte er mit einer Stimme, die jeden Prediger, ob tot oder lebendig, mit Stolz erfüllt hätte. »Doch hier fand dieser Methodist eine andere, eine ältere Lebensweise. Ein Leben, das von den ersten weißen Siedlern hierhergebracht wurde.«
»Wir sind gottesfürchtige Menschen, Harmon Smith«, rief Loretta Whitley und stieß ihre Mistgabel bedeutungsvoll auf den Boden. »Warum lassen Sie uns nicht einfach in Ruhe und kümmern sich um Ihre eigenen Angelegenheiten?«
»Weil das hier meine Angelegenheiten sind«, erwiderte der Wanderprediger. »Eure Kirchenältesten konnten meinen Glauben nicht tolerieren, also haben sie ihn abgeschafft. Und dazu kannten sie nur einen Weg.«
»Sie haben Sie getötet«, entgegnete Sarah. Odus war überrascht von der Kraft ihrer Stimme. »Und genauso haben wir uns heute hier versammelt, um Sie noch einmal zu töten.«
Der Wanderprediger lachte. Sein Lachen klang wie der Ruf einer Eule, rau und tief, wie das Heulen eines Rotwolfs. »Unter Gottes Himmel haben wir alle einem Zweck zu dienen. Erkennt den Baum an seinen Früchten.«
»Und was ist mit deinen Ziegen, Alter?«, rief Eakins. Seine Hände zitterten so sehr, dass Odus ziemlich sicher war, dass er den Pfeil jeden Moment abschießen würde. Vielleicht warteten sie alle hier nur darauf, wer Harmon Smith als Erstes angriff. Dann würden sie sich alle auf ihn stürzen, egal was für Waffen oder Talismane sie mitgebracht hatten. Bei diesem Gedanken wurde Odus klar, dass er sich noch gar nicht entschieden hatte, welche Waffe er benutzen würde. Er hatte darauf vertraut, dass ihm der Weg gezeigt werden würde. Doch im Moment kam keine Stimme aus dem Dunkel, die ihm sagte, was zu tun war. Sein falscher Mut hatte dazu geführt, dass er nun ganz allein war. So wie sie alle hier, auch wenn sie noch so viele waren.
»Wen von uns wollen Sie eigentlich, Harmon Smith?«, rief Ray Tester dem Alten entgegen. »Wir wissen, dass Sie einen von uns holen müssen, und wir wissen auch, dass Sie schon einige von uns zurückgewiesen haben.« Ray warf einen Seitenblick auf seinen Bruder.
»Ich will euch alle«, erwiderte der Wanderprediger. »Warum sollte ich sonst immer wieder hierher zurückkehren?«
»Sie sind doch nichts als ein lästiger alter Zausel«, warf ihm Sarah an den Kopf. »Sie stochern in den Gebeinen der Vergangenheit. Aber wir brauchen Sie hier nicht mehr!«
»Es geht nicht darum, was Sie brauchen, Sarah Jeffers. Es geht darum, was sein soll.«
»Nun, es soll bestimmt nicht sein, dass ich hier mitten in der Nacht auf einem eiskalten Berggipfel herumstehe!«
»Aber Sie sind trotzdem hier!«
Darauf fiel Sarah nichts mehr ein. Sie spielte an ihrer Schrotflinte herum, als überlegte sie, ob es sich lohnte, inmitten dieser Menge abzudrücken. Herumfliegender Schrot konnte auch Unschuldige treffen, die in der Nähe standen. Aber vielleicht, sinnierte Odus, war ja keiner von ihnen unschuldig. Denn sie alle waren ein Teil von Solom, und Solom hatte den Wanderprediger auf brutale Weise getötet.
Vielleicht hatten all die Jahre zu diesem einen Moment hingeführt. So sicher wie der Weg des Wanderpredigers, der ihn immer wieder hierher zurückführte. Die Vergangenheit rückte nur weiter in die Ferne, doch der Wanderprediger war in einer Endlosschleife gefangen und folgte seinem Schicksal, wohl wissend, dass er nie zur Ruhe kommen würde.
Odus war überrascht, als er seine eigene Stimme hörte. Er war sich nicht bewusst, dass seine Gedanken seine Lippen verlassen hatten. »Wir sind hier, weil wir hier sein müssen.«
»Aus genau diesem Grund bin ich auch hier, Mr. Odus Dell Hampton. Denn ihr alle braucht mich.«
Odus schien es, als blickte der Wanderprediger direkt durch ihn hindurch, und er war sicher, dass alle anderen in der Runde dasselbe dachten. Obwohl die Scheinwerfer ihn schrecklich blenden mussten, kniff Harmon Smith nicht die Augen zusammen, als er jeden Einzelnen von ihnen musterte.
»Legen wir das Arschloch um!«, rief Alex Eakins.
Der Aushilfssheriff bellte herrschsüchtig dazwischen. »Halt, halt! Hier wird niemand getötet, solange ich es nicht
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