Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
Vom Netzwerk:
wie ein menschlicher Kopf. Aber der Hut … er sah irgendwie verschossen aus und ziemlich schmutzig …
    Es war Smiths Vogelscheuche.
    Dann teilte sich das Unkraut am Ufer des Flusses.
    Was er dann sah, ließ ihm glatt die Angelrute aus der Hand rutschen. Er kauerte sich auf die schlickrigen Steine am Flussufer und versteckte sich zwischen den Büschen, die das Wasser von der Uferstraße trennten. Sein Herz hüpfte wild wie ein Frosch, der in einem Eimer gefangen war. Das orangefarbene Sonnenlicht war ins Violett übergegangen, und selbst die Wolken schienen auf einmal scharfkantiger und bedrohlicher auszusehen. Über dem Eingang des Gemischtwarenladens leuchtete ein grellgelbes Licht. Sarah behauptete, dass es die Insekten fernhielt, obwohl Odus genau wusste, wie sie ihre Kreise um die Lampe zogen. Er begann zu rennen, unter seiner schwabbeligen Brust sammelte sich der Schweiß, ebenso wie in der Speckfalte über seinem Gürtel. Er drehte sich nicht ein einziges Mal um, und obwohl ihn ein ganzer Fluss von dem trennte, was er gerade gesehen hatte, fühlte er sich nicht einmal dann sicherer, als er endlich sein Auto erreicht hatte.
    Mit zittrigen Händen steckte Odus den Schlüssel ins Zündschloss. Da fiel ihm das Bier wieder ein, und er zögerte einen kurzen Moment. Er brauchte auf jeden Fall etwas zum Zudröhnen. Aber drei Bier würden bei Weitem nicht ausreichen, um das Bild aus seinem Kopf zu kriegen, das sich eben in seine Netzhaut gebrannt hatte. Das Beste war wohl, ganz schnell so viel Abstand wie möglich zu dem zu bekommen, was er gerade gesehen hatte. Vielleicht spazierte ja gerade irgendein Touri dort lang, oder ein Fahrradfahrer hatte einen Platten. Sollte sich die Vogelscheuche doch jemand anderen holen!
    Als er losfuhr, spürte er einen schweren Druck auf der Brust. Er konnte kaum atmen. Vielleicht konnte er ja in Sarahs Zimmer im Krankenhaus übernachten. Jetzt wusste er endlich, was sie gefaselt hatte, als sie mit flatternden Lidern im Bett gelegen hatte!
    Denn er hatte nicht nur die Vogelscheuche gesehen. Es war viel schlimmer gewesen. Er hatte den Mann mit dem Hut gesehen, sein Gesicht weiß wie Ziegenkäse, als ob er zu lange im Wasser gelegen hätte.
    Hatte er ja auch, wenn man den alten Geschichten Glauben schenkte.
    Ungefähr zweihundert Jahre lang.

 
     
     
    17. KAPITEL
     
    Betsy Ward schrie nicht, als sie die Ziege sah. Sie hatte schon viele solche Viecher gemolken. Ihre Zitzen waren klein und hart, das Melken war gut für die Finger. Doch normalerweise blieben sie auf dem Feld, selbst wenn sie aufgescheucht wurden. Manchmal schlüpfte eine durch ein Loch im Zaun oder quetschte sich zwischen zwei Torpfosten hindurch. Aber dann liefen sie meist schnurstracks zum Garten oder zu den Beeten. Sie hatten einen guten Riecher dafür, wo sie den größten Schaden anrichten konnten.
    Im Haus jedoch war ihr noch nie eine Ziege begegnet. Die Hintertür stand offen, fast schien es, als hätte die Ziege sie mit dem Maul aufgestoßen. Das Fliegengitter an der Tür war zerrissen. Vielleicht hatte es die Ziege mit ihrem scharfen Huf aufgeschlitzt. Aber so schlau waren Ziegen eigentlich nicht, selbst wenn aus der Küche die köstlichsten Düfte in ihre Nasen strömten. Das konnte eigentlich nur der Süßkartoffelauflauf sein. Die Ziege hatte ihn bestimmt gerochen und wollte ihn sich mal anschauen, auch wenn Betsy keine Erklärung dafür hatte, wie das Tier den Türknauf aufgekriegt hatte. Und warum hatte ihr Hund Digger die Ziege nicht weggejagt oder sie wenigstens mit lautem Bellen verscheucht?
    »Hooo«, sagte sie beruhigend und wedelte mit ihrer Schürze. »Mach dich wieder dahin zurück, wo du hergekommen bist!«
    Die Ziege starrte sie an, als wäre sie eine Möhre mit leckerer Spinatkappe.
    »Arvel«, rief Betsy und versuchte, nicht zu laut zu schreien. Arvel mochte es nicht, wenn sie ihn aus der Küche rief. Für ihn grenzte das an Belästigung. Arvel sagte immer, eine Frau müsse zum Mann kommen und mit ihm sprechen wie mit einem Menschen anstatt ihn anzukläffen wie eine alte Hündin.
    Aber Arvel schien sie nicht zu hören, der Fernseher lief wohl zu laut. Die Nüstern der Ziege zitterten, als sie die Luft einsogen. Ihr Backofen war ein Kenmore Hotpoint, der zweite in ihrer Ehe. Im roten Schein des Heizelements sah sie den Auflauf durch die Glasscheibe der Ofentür leuchten. Er brodelte schon ein bisschen, die knusperbraune Füllung hatte an einer Stelle die Kruste durchbrochen und lief brutzelnd

Weitere Kostenlose Bücher