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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Skelettfinger an die Decke. Überall auf dem Boden lagen abgerupfte Blätter. Eine Lampe war von der Wand abgerissen worden. Die schwarze Plastikfolie unter den Eimern war zerfetzt. Und auf den Hohlblocksteinen, die als Trittstufen dienten, klebte ekliger, grau-weißer Schleim, der nur ein was sein konnte:
    Ziegenscheiße.
    Diese Bastarde waren also auf sein Grundstück eingedrungen, in seinen Schuppen eingebrochen und hatten die Früchte seiner Arbeit zertrampelt. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, wie sie durch den Zaun gekommen waren. Auf jeden Fall war der gesamte Boden von kleinen, gespaltenen Hufen zertrampelt. Sein Herz pochte so wild, dass es sich anfühlte wie Glasscherben in seiner Brust. Er verfolgte die Spuren vom Schuppen bis zum Zaun. Hier war der Draht niedergetrampelt und mehrere Pfähle waren umgestoßen, als ob sich etwas sehr Schweres dagegengeworfen hätte. Am Draht klebten Ziegenhaarbüschel, und in der Luft hing ein ekliger Ziegenbockgestank.
    Auf der anderen Seite des Zauns, drüben bei den Smiths, lagen überall Blätter herum. Auf dem dunklen Boden zeichnete sich ganz klar der Abdruck eines Hufeisens ab. Als ob ein Reiter sein Pferd dazu angehalten hätte, den Zaun einzureißen, damit die Ziegen freie Bahn hatten. Vielleicht hatte das Pferd sogar die Schuppentür für die Ziegen aufgetreten. Alex war sich ziemlich sicher, dass er neben dem Vorhängeschloss den Abdruck eines Hufeisens in der Holztür finden würde.
    Vielleicht war der Alte Zausel ja nicht mehr zu Fuß unterwegs. Vielleicht war er ja aufs Pferd umgestiegen, damit er besser vorankam. Auf was für einem Weg er auch immer unterwegs war.
    Scheißegal.
    Auf jeden Fall hatte sich der Alte Zausel mit seinem Privateigentum angelegt. Genauso wie die gruseläugigen, stinkenden, pissenden Ziegen.
    In der Bibel stand, man solle Verstöße vergeben. Doch Alex hatte es nicht so mit der Bibel. In Alex’ Glauben gab es bei solchen Überschreitungen nur zwei Möglichkeiten: Entweder man baute einen höheren Zaun, oder man stellte denen nach, die sich nicht an ihre Grenzen hielten.
    Alex ging zurück ins Haus. Er betrat sein Arsenal. Die Hölle hatte gerufen, und Alex war fest entschlossen, diese Rechnung zu begleichen.

 
     
     
    39. KAPITEL
     
    Er holt immer nur einen .
    So war es in Solom immer gewesen, so lange die Sage zurückreichte. Man brauchte einfach nur stillzuhalten, im Haus zu bleiben und abzuwarten, bis jemand Anderes dran war. Mit dieser Philosophie war Arvel gut durch die letzten achtundsechzig Jahre gekommen. Als er als kleiner Junge den Wanderprediger zum ersten Mal auf dem kleinen Ziegenpfad gesehen hatte, der zu seinem Angelloch im Fluss führte, war er aus irgendeinem Grund davongekommen.
    Er hatte versucht, seinem Vater von der unheimlichen Begegnung zu erzählen. Sein Vater war ein aufrichtiger Free Will Baptist, der jeden Tag mit dem ersten Sonnenstrahl auf den Beinen war und keinen Schnickschnack gelten ließ. Doch sein Vater war Arvel sofort ins Wort gefallen. Den Wanderprediger gab es nicht und basta. Da half auch kein Geheule und Geflenne. Allerdings war Vaters runzliges Rosinengesicht schneeweiß geworden, als Arvel vom Wanderprediger erzählte. Das führte Arvel zu der Annahme, dass auch sein Vater schon seine ganz persönliche Begegnung mit dem toten Priester gehabt haben musste.
    An den beiden folgenden Tagen hatte Arvel sich rar gemacht. Er gab vor, Bauchschmerzen zu haben, damit er nicht in die Schule gehen oder auf dem Hof helfen musste. Das war auch nicht direkt gelogen, denn er war so aufgeregt, dass er jeden Bissen, den er zu sich nahm, gleich wieder auskotzte. Aus dem Fenster des Zimmers, das er sich mit seinem Bruder Zeke teilte, blickte er auf die Scheune der Smiths. Im Mondschein sah er manchmal, wie sich oben auf dem Heuboden etwas bewegte. Auch wenn er seine Augen noch so fest zupresste, eines von ihnen schnappte immer wieder auf, wie der Sargdeckel eines Vampirs. Und so kam es, dass er an diesen beiden Tagen kaum ein Auge zumachte.
    Dann kam sein Bruder eines Tages nach der Schule nicht nach Hause. Es gab zwar Schulbusse, doch die Ward-Brüder und die anderen Kinder aus der Gegend mussten etwa eine Meile bis zum Fluss hinunter laufen, wo der Bus abfuhr. An der Bushaltestelle wurde immer allerlei Schabernack und Unfug getrieben. Schließlich musste sich ein Dutzend Kinder die Zeit totschlagen. Es wurden Witze erzählt und Streiche gespielt, man zog Taschenmesser mit den Zähnen aus dem

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