Some like it heiß

mich in drei Filme, und in dieser Atmosphäre aus verbotener Neugier, der Angst, entdeckt zu werden, Dehydrierung und langsamer Übermüdung entwickelte ich die Wurzeln einer politischen Paranoia, die ich bis heute spüre.
    An einem Samstagnachmittag im März 1979 kam ich von der Uni nach Hause und fuhr mit meiner Mutter ins Westgate Cinema, um den neuen Michael-Douglas-Film anzusehen. Meine Mutter war seit der TV-Serie »Die Straßen von San Francisco« ein bisschen verliebt in Michael Douglas. Zum Glück war es finster im Kino, und niemand konnte sehen, wie ich rot wurde, als sie in ihrer durch die Wechseljahre verursachten hormonellen Ekstase lauthals deklamierte: »If I had
that
to come home to I wouldn’t have any problems …«, als Michael Douglas auf der Leinwand erschien.
    Der Film hieß »The China Syndrome« – ein exzellenter Thriller über einen fiktiven Störfall in einem amerikanischen Kernkraftwerk. Der Titel kommt von dem gebräuchlichen Begriff für Kernschmelze in amerikanischen Atomkraftwerken: Der schmelzende Kern »would melt down all the way to China«, er würde sich durch die Erde bis nach China durchschmelzen. Der Film war unvergesslich für mich – nicht nur wegen der hervorragenden schauspielerischen Leistung von Douglas, Jane Fonda und einem meisterhaften Jack Lemmon, sondern auch, weil zwei Wochen später in Harrisburg, Pennsylvania, das wahre Leben Hollywood überholte.
    Vierzehn Tage nach der Premiere von »The China Syndrome«, am 28. März 1979, gab es eine partielle Kernschmelze im Kernkraftwerk Three Mile Island in Harrisburg. Die Ursache des Unfalls wurde mit der schlechten Ausstattung des Kontrollraums sowie der »unzureichenden Ausbildung der Mitarbeiter« begründet. Niemand ist gestorben, trotzdem ist es der größte Atomunfall in der amerikanischen Geschichte. Als es passierte, we didn’t know that.
    Erfahren haben wir damals sehr wenig, oder fast gar nichts, weil weder Regierung noch Betreiberfirmadie Öffentlichkeit informierten. Das einzige Statement kam nach achtundzwanzig Stunden von Lieutenant Governor William Scranton III: »Everything is under control.« Drei Tage später waren hundertvierzigtausend Bewohner der Region evakuiert, weil ein radioaktives Gas, Krypton, genau wie in dem Superman-Film mit Christopher Reeve ausgeströmt war und die Region verstrahlte. Wir wussten schnell, dass alles außer Kontrolle war.
    Amerika am Ende der Siebziger war fertig mit den Nerven, erschüttert von Richard Nixon, Vietnam, Ölkrise, Arbeitslosigkeit und the neverending Cold War. Die Schockwelle, die die Kennedy-Ermordung ausgelöst hatte – und die von Bobby Kennedy und Martin Luther King –, war noch nicht verebbt. Die Oscar-Filme 1979 waren »The Deer Hunter« und »Coming Home« – düstere Familiendramen voller Vergangenheitsbewältigung. Selbst Woody Allen, der New Yorker Jedermann, the funniest man in America, produzierte »Interiors«, seinen depressivsten Film überhaupt. Unser Vertrauen war weg, Three Mile Island würde sich bis nach China durchschmelzen, nichts war unter Kontrolle.
    Plötzlich hörte man immer wieder das WortMELTDOWN, welches schnell zu einer persönlichen Beschreibung unserer kollektiven Angst wurde. Wenn ich an mein Zuhause im Jahre 1979 denke, erinnere ich mich an die fast stündlichen Wutausbrüche meiner von Hitzewellen geplagten menopausierenden Mutter: »YOU KIDS STOP! I swear to God, I am having a
MelTDOWN!!!
« Ich wollte ihr helfen, aber hatte keine Ahnung wie – I was freaking out myself.
    Pennsylvania ist nur hundertfünfzig Kilometer von New York entfernt, wo ich damals wohnte, und nur weitere dreihundertfünfzig Kilometer von Brockton. Which way would the wind blow? Was ist mit dem Wasser?
    Ich dachte sofort an die Niagarafälle und den Giftmüllskandal von Love Canal 1978. Love Canal! Der Ort im Bundesstaat New York in der Nähe des Weltwunders an der kanadischen Grenze trägt den Namen des weiblichen Geschlechtsorgans und war der Ort des größten amerikanischen Umweltskandals, ein Jahr vor Three Mile Island.
    Die Geschichte ist filmreif. 1890 wollte Unternehmer William T. Love die ideale Stadt für sechshunderttausend Menschen bauen und fing mit dem Stadtkanal an. Das Projekt scheiterte.Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kanalbett als Mülldeponie benutzt, unter anderem von der U. S. Army, um Abfälle aus Versuchen mit chemischen Kampfstoffen zu vergraben. In den Sechzigern baute die Stadt auf dem zugeschütteten Müll billige