Some like it heiß
arbeitete wie Sau.
Madonna gab in dieser Zeit ein Interview für »The Village Voice«, in dem sie behauptete: »I am a Gesamtkunstwerk.« Ich hatte dieses Wort nie zuvor gehört, aber es stimmte. Madonna Louise Ciccone aus einer Arbeiterfamilie in Detroit, Michigan, präsentierte nicht nur Musik oder Tanz, sie war eine Persona, ein Erlebnis, mit allen Facetten der American Entertainment History: Sie hatte den Look von Marilyn Monroe, den Humor von Mae West, die Stimme von Minnie Mouse und die Oberarme von Arnold Schwarzenegger. Sie ist ein Pop-Picasso und hat sich nicht nur eine Schublade gebaut, sie baute gleich die ganze Kommode in einem gigantischen Haus.
Am meisten inspirierten mich ihre Misserfolge, weil sie zeigten, dass selbst ein Gesamtkunstwerk ab und zu einen schlechten Tag hat. Die verzweifelte Schauspielkarriere: »Swept Away«, »Ein Freund zum Verlieben«, »You Must Love Me« aus Evita, live gesungen bei der Oscar-Verleihung. Die Scheidungen, die Boy Toys, der pseudo-britische Akzent, das katholisch-buddhistisch-jüdische Potpourri und immer diesernervende rote Bindfaden um ihr Handgelenk. Denkt sie wirklich, dass sich im Song »Music« die Worte »together« und »rebel« reimen?
Aber die Queen macht immer weiter. Ihre Megastar-Zeitgenossen, die Weggefährten der Achtziger, sind verschwunden. Michael Jackson und Whitney Houston sind tot, George Michael ist immer bekifft, und Prince schwebt über allem in Minneapolis. Aber Madonna lebt! Sie arbeitet immer noch wie Sau. Sie sucht neue Talente und findet Inspiration im Zeitgeist, lässt sich von William Orbit, Mirwais oder Timbaland produzieren, und spätestens beim spektakulären Super-Bowl-Auftritt, als »Vogue«-singende, dreiundfünfzigjährige Gladiatorin, zeigte sie, dass sie ihren Humor wiedergefunden hatte. Sie ist ein Wahnsinns-Showgirl und ein wahres Gesamtkunstwerk. Beim Super-Bowl-Auftritt sah sie zum ersten Mal glücklich aus, und etwas verblüfft. Als ob sie die wilde Fahrt von Detroit in die Welt wirklich genossen hätte. Eben ein Mensch.
Ich setzte meine Teetasse auf den Tisch, sammelte meine Madonna-Energie aus all meinen Chakren und sagte zum Promoter: »I’ma Mensch. Vermarkte that.«
9. MELT DOWN
Growing up in American Suburbia der sechziger Jahre, war meine Verbindung mit der Natur sehr limitiert. Der Apfelbaum in unserem Vorgarten, das Müllverbrennungsdepot am Samstagnachmittag und der Strand auf Cape Cod im Sommer – das war’s.
Als Familie haben wir gerne Baseball im Fernsehen gesehen, statt es im Park zu spielen, und mein einziges Wintersporterlebnis war meine präpubertierende Verliebtheit in Skirennlauf-Champion Jean-Claude Killy während unserer Familienabende vor dem Fernseher zur Winterolympiade 1968.
Ich war ein pummeliges Kind, und ich habe mich sehr früh für drinnen statt für draußen entschieden. Während die anderen Kinder auf dem Schulhof schwitzend in der prallen Sonne tobten,war ich in der kühlen Ruhe der Bibliothek glücklich. Nachmittags war ich beim Stepptanzkurs oder im Kinderchor, und danach habe ich gerne in unserem Keller gespielt, wo ich ein kleines imaginäres Fernsehstudio – inklusive Special Guest Stars und Crew – aus alten Möbeln, Puppen und Pappkartons aufgebaut hatte. Es gab drinnen immer etwas zu tun.
Als mit den Siebzigern meine Teenager-Reifezeit kam, eröffnete sich eine ganz neue Welt für mich – the Westgate Shopping Mall, das erste in sich geschlossene Einkaufserlebnisparadies in Massachusetts. Meine Mädchentruppe konnte nie genug kriegen von der klimatisierten Luft mit ihrem überwältigenden Geruch aus Patschulirauch, Erdbeerseife und Pommes. Wir schnupperten uns durch alle Shops und Jahreszeiten und genossen einen Hauch der großen weiten Welt, ohne einmal vor die Tür gehen zu müssen.
Das Allerbeste aber war das 1971 eröffnete Westgate Cinema – ein Multiplex mit vier Kinos –, was damals eine Sensation war. Diese vier Leinwände waren für mich die Pforte in ein anderes Universum, jenseits meiner jugendlichen Vorstellungskraft. Von »Der Pate« bis zu »One Flew Over the Cuckoo’s Nest« – Hollywoodwar at it’s best in den Siebzigern: sozialkritisch, intelligent, grandios. Ich saß im dunklen Kinosaal und kriegte eine preiswerte Ausbildung in Soziologie und Politik und konnte mir ein Bild vom Vietnam- und Watergate-beschädigten amerikanischen Traum machen. Nicht selten gab es am Wochenende ein Triple Feature – mit nur einer Eintrittskarte schlich ich
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