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Some like it heiß

Some like it heiß

Titel: Some like it heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Tufts
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junge Arzt im Altenheim (»assisted living«!) empfahl, einfach mal zwei Drittel der Medikamente abzusetzen, verschwanden fast alle von Mas chronischen Beschwerden.
    Als ich 1982 zum ersten Mal transatlantisch flog, von New York über Zagreb nach Wien, mit Yugoslav Airlines, war ich ein bisschen nervös. Ich nahm, während ich in der Abflughallewartete, eine von Mutters Valium, auch, weil es sich ein bisschen so anfühlte, als würde man zum Jetset gehören.
    Die Wirkung war überwältigend: Ich wurde sofort zum Zombie! Ich wankte fast im Tiefschlaf zum sehr bescheidenen Yugoslav-Airline-Economy-Class-Sitzhocker und konnte mich gerade noch setzen. Ich kann mich nicht daran erinnern, mir selbst den Gurt angelegt zu haben. Völlig k. o., wurde ich auf dem Wiener Flughafen wach gerüttelt. Fühlte sich meine Mutter täglich immer so? Mas kleiner Helfer war ein Vorschlaghammer! Nach dem Aufwachen kam ich mir wie in Nougat eingehüllt vor, alles um mich war klebrig und weich, ich war ein schachtelloses Praliné in der Sonne. Gleichzeitig war mir alles scheißegal: wie ich fühlte, wo ich war und warum – und das machte mir Angst.
    Ich musste an Auntie Margaret, die ältere Schwester meiner Mutter, denken. Margaret war seelisch krank und wohnte jahrelang in einer staatlichen Nervenheilanstalt – was in den Sechzigern in Massachusetts wirklich erschreckend war. Ich habe sie in meiner Kindheit nur einige Male bei Geburtstagsfeiern gesehen, aber das reichte mir vollkommen. Sie war durch Medikamenteruhiggestellt, und ihre Augen waren leer. Mein Vater versuchte mich vorher im Auto zu beruhigen: »Don’t worry. The lights are on but nobody’s home.« Sie sah ein bisschen aus wie die Schauspielerin Margaret Hamilton, The Wicked Witch of the West aus dem Film The Wizard of Oz, die Judy Garland durch den Wirbelwind jagt. She freaked me out.
    Damals habe ich mich nie gefragt, warum sie ruhiggestellt wurde oder was genau ihre Krankheit war. Sie war einfach crazy Auntie Margaret und jahrelang die Geheimwaffe meiner Mutter, das Allzweckmittel gegen alles. Etwa meine kindlichen Meltdowns im Supermarkt und auf dem Spielplatz: »If you don’t stop right now, you’re gonna end up like Auntie Margaret.« Es hat blendend funktioniert.
    Jetzt sagte meine Schwester, dass der Zeitpunkt gekommen war. Die dunkle Familiengeschichte hatte mich eingeholt. Ich bin’s – Auntie Depressiva! Mary Ann fragte nicht, was los sei mit mir oder ob ich beim Arzt gewesen sei, was meine Heilpraktikerin gesagt hätte oder mein Mann – ich sollte einfach Pillen nehmen.
    Wenn ich Amerika besuche, vergesse ich manchmal, dass meine Landsleute auf Pillensind – bis ich bei der Ankunft ihre leeren Blicke sehe. Die Leute wirken eigentlich normal, aber etwas ist verschoben. It’s »Invasion of the Body Snatchers« im Kennedy Airport! Die Körperfresser erobern JFK! Die Lichter sind an, aber niemand ist zu Hause.
    Manchmal haben sie ein Bluetooth-Gerät im Ohr und sind wirklich woanders, im viel zu lauten öffentlichen Gespräch, aber meistens ist das nicht der Fall. Neulich stand ich in New York hinter einem älteren Gentleman im Anzug, als er empört die Sätze »This place is full of crazy people« und »I’m losing my connection« wiederholte, bis mir klar wurde, dass seine Deklamation eine Beschreibung seines mentalen Zustands und kein Telefongespräch war. In so einem Fall sagt man, er sei »off his meds« – er hat seine Medikamente eigenmächtig abgesetzt. Amerika ist
on
its meds. Fast dreißig Millionen Amerikaner nehmen Antidepressiva. Eine von zehn Amerikanerinnen nimmt Prozac, Paxil oder Zoloft – täglich. Die Anzahl der Zombies hat sich in den letzten zwanzig Jahren vervierfacht.
    Ich habe nichts gegen Antidepressiva, sie können, richtig eingesetzt, sehr wichtig und für viele Menschen eine Riesenhilfe sein. Ich bin mirauch sicher, dass Auntie Margaret und ihre ganze Familie ein gesünderes und fröhlicheres Leben gehabt hätten, wenn sie am pharmakologischen Fortschritt hätten teilhaben können. Aber
ich
bin nicht depressiv – I’M GOING THROUGH THE CHANGE!
    Mary Ann war in diesem Fall vielleicht die falsche Gesprächspartnerin. Zu meinem vierzigsten Geburtstag schickte sie mir eine Grußkarte mit den Worten: »It’s all downhill from here.« – Von nun an geht’s bergab. Als ich ihr erzählte, dass ich in den Wechseljahren sei, sagte sie: »Good luck for the next ten years.« Und: »You’ll go mental.« Viel Spaß beim

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