Someone like you - Dessen, S: Someone like you
Abend vorbei. Wir schauen uns zusammen ein Video an. Sie haben dich ewig nicht gesehen. Vielleicht hast du ja Lust, dich zu uns zu gesellen.«
Noah Vaughn ging in die elfte Klasse! Wie ich. Und hatte am Freitagabend nach wie vor nichts Besseres vor, als mit seinen und meinen Eltern zusammen Videos zu glotzen? Unfassbar, dass er je mein Freund gewesen war. »Ich gehe nachher noch zu Scarlett rüber.«
»Ach so.« Aber sie nickte. »Okay. Was habt ihr denn vor?«
Ich dachte an Macon, an die Uhr in der Sporthalle, an den Gigantischen Moment, der hinter mir lag. Und behielt alles für mich. »Nichts Besonderes, nur abhängen. Vielleicht gehen wir Pizza essen.«
Pause. Dann: »Aber um elf Uhr bist du zu Hause. Und vergiss nicht, dass du morgen den Rasen mähen sollst.«
Meine Mutter, die gerade ein Buch über Teenager und Verantwortungsgefühl schrieb, hatte nämlich beschlossen, dass ich mehr im Haushalt helfen sollte.
Es fördert den Familiensinn, wenn wir alle zusammen an einem Projekt arbei
ten
, hatte sie zu mir gesagt.
»Rasen mähen. Wird gemacht«, antwortete ich.
Ich war schon halb die Treppe hoch, als sie sagte: »Halley? |96| Falls ihr euch langweilt, Scarlett und du, kommt doch zu uns. Je mehr wir sind, umso mehr Spaß macht es.«
»Okay.« Aber im Stillen dachte ich wieder einmal, warum sie sich eigentlich in alles, was ich tat, einmischen musste, mich dauernd bei sich und für sich selbst haben wollte, egal, wie sehr ich mich dagegen wehrte. Und wenn ich ihr von Macon und der Party erzählt hätte? Ich konnte bereits ihre Stimme hören:
Bei wem findet diese Party statt? Sind die Eltern auch im Haus? Wird Alkohol getrunken?
Fragen über Fragen. Ich stellte mir vor, wie sie dort anrief und die Eltern sprechen wollte, genauso, wie sie es bei meiner allerersten gemischten Party gemacht hatte. Ich wusste, dass ich Macon für mich behalten musste, so wie ich allmählich alles für mich behielt. Zwischen uns lag ein Gestrüpp aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Geheimnissen, durch das ich sie auf Abstand hielt, wie eine geschlossene Tür zwischen uns.
Um halb zehn hielten wir in Scarletts Aspire vor dem Haus, wo die Party stattfand; wir hatten uns überlegt, dass halb zehn spät genug sein würde, um cool rüberzukommen. Wir fanden uns dadurch bestätigt, dass bereits die Straße rauf und runter Autos parkten, und zwar ziemlich chaotisch, zum Teil quer überm Bürgersteig oder so dicht an den Briefkästen vor den Häusern, dass es aussah wie nach einer Massenkarambolage. Die Villa, in der die Party stieg, gehörte Ginny Tabors Eltern. Die Gastgeberin der Party war demnach Ginny Tabor. Und das Erste, was wir sahen, während wir die Auffahrt entlangliefen, war Ginny Tabor höchstpersönlich; sie wirkte bereits ziemlich betrunken und saß mit einer Flasche Weinmix in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand auf der Motorhaube des BMWs ihrer Mutter.
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»Scarlett!«
, kreischte sie, als wir die vordere Veranda erreichten, die – wie das gesamte Haus – weiß und schokobraun gestrichen war. Überhaupt sah das Gebäude mit seinen Giebeln, Türmchen und Blumenkästen wie ein Lebkuchenhaus im Tudorstil aus.
Ginny rief gleich mehrmals Scarletts Namen, wobei sie von der Motorhaube herunterhüpfte und Brett Hershey hinter sich herzog.
»Hey, Scarlett!« Ginny schwankte ein wenig, während sie auf uns zutrippelte, vorbei an einem großen Springbrunnen, um den herum die Auffahrt angelegt war. Sie trug ein rotes Kleid sowie Stöckelschuhe und sah für eine entspannte kleine Freitagabendparty, zu der jeder sein eigenes Sixpack mitbrachte, entschieden zu aufgetakelt aus. »Ich muss unbedingt mit dir reden, ja, mit
dir
.«
Ich hörte, wie Scarlett neben mir seufzte. Sie war erkäl tet , wollte ursprünglich überhaupt nicht mitkommen und hatte sich nur von mir breitschlagen lassen, weil ich absolut nicht allein dort auftauchen wollte. Also raffte sie sich auf und verließ das Sofa in ihrem Wohnzimmer, wo sie es sich eigentlich schon mit einer Packung Tempos vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatte. Vorher musste ich mich noch irgendwie von Noah Vaughn loseisen, der wie immer total angefressen in unserer Küche saß und mich blöd anglotzte, als ich Tschüs sagte und ging. Was erwartete er denn? Etwa, dass ich auf einmal beschloss wieder seine Freundin zu sein? Clara, Noahs kleine Schwester, klammerte sich an meine Beine und bettelte mich an dazubleiben. Meine Mutter erinnerte mich noch einmal daran, dass
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