Someone like you - Dessen, S: Someone like you
Geschenk?«
»Logo.« Ich lehnte mich zurück. »Was ist es denn?«
»Nicht so schnell, erst müssen wir hinfahren.« Er legte den ersten Gang ein.
»Wir müssen wohin fahren?« Panisch blickte ich zu unserem Haus hinüber. Sich rauszuschleichen, war verboten genug, und je weiter ich mich entfernte, umso größer wurde die Gefahr, erwischt zu werden. Ich sah meinen Vater schon vor mir, wie er den Kopf zur Tür hereinsteckte, um Gute Nacht zu sagen, und merkte, dass ich fort war. »Ich glaube, das lasse ich besser sein.«
Er sah mich an. »Wieso?«
»Ich habe sowieso schon megamäßig Zoff.« Selbst in meinen eigenen Ohren klang ich wie das letzte Weichei. »Und wenn so eine Aktion auffliegt . . .«
»Ach komm.« Er fuhr bereits los. »Genieß es, du hast nur ein Leben und außerdem heute Geburtstag.«
Ich drehte mich um, betrachtete unser dunkles Haus. Mein Geburtstag dauerte bloß noch eine Stunde. Und zumindest für diese eine Stunde hatte ich das Recht, so zu feiern, wie ich wollte.
»Also gut, auf geht’s«, sagte ich deshalb zu Macon. Grinsend gab er Gas. Mit quietschenden Reifen bogen wir um die Kurve. Und ich wurde davongetragen.
Er fuhr mit mir zum Topper Lake, der etwa zwanzig Minuten Fahrtzeit von uns entfernt liegt. Ungefähr auf der Hälfte der Strecke hielt er an und ließ mich ans Steuer, rutschte aber, wie sonst mein Vater immer, unbehaglich |163| auf seinem Sitz hin und her, während der Zeiger auf dem Tacho nach oben kletterte.
»Schiss?«, fragte ich. Wir fuhren über die Brücke. Um uns herum nur Wasser. Eine riesige schwarze Wasserflä che .
»Niemals«, meinte er. Aber das stimmte nicht und ich lachte ihn aus. Dabei raste ich wirklich nicht, fuhr gerade mal so schnell, wie ich durfte.
Wir fuhren an Bootsstegen und Segelmarinas vorbei, vorbei an der touristischen Ufermeile mit ihren überteuer ten Fischrestaurants und Andenkenkiosks, an Windsurfschulen und Dampferanlegestegen, bis wir schließlich eine ungeteerte Straße voller Schlaglöcher entlangholperten, die sich an diversen DURCHFAHRT VERBOTE N-Schil dern vorbei endlos durch den Wald zog. Draußen war es stockfinster. In der Ferne sah ich die Antennenmasten des Radiosenders, wo mein Vater arbeitete; an den Spitzen leuchteten grüne und rote Blinklichter in den nächtlichen Himmel.
Wir stiegen aus. Er nahm meine Hand, führte mich durch die Dunkelheit. Ich hörte Wasser rauschen, hätte je doch nicht sagen können, woher.
»Pass auf, wo du hintrittst«, sagte er, als wir begannen einen ziemlich steilen Hügel hochzuklettern, immer weiter, immer höher. Ständig war ich kurz davor hinzufallen. Ich fror. Schließlich trug ich nur einen Schlafanzug und eine dünne Jacke. Bald hatte ich die Orientierung ganz verloren. Rang keuchend nach Luft. Endlich ließ die Steigung nach, der Boden unter meinen Füßen fühlte sich nicht mehr ganz so holprig und rutschig an. Doch immer noch wusste ich nicht, wo wir eigentlich waren.
»Macon, wo gehen wir hin?«
|164| »Wir sind fast da«, rief er mir über die Schulter hinweg zu. »Bleib ab jetzt dicht hinter mir, okay?«
»Okay.« Angestrengt fixierte ich vor mir seinen blonden Hinterkopf – das Einzige, was ich in der Finsternis rundherum noch erkennen konnte.
Plötzlich blieb er abrupt stehen und meinte: »Wir sind da.«
Mir war nicht ganz klar, was
da
bedeuten sollte oder wo
da
war, denn ich konnte immer noch nichts sehen. Macon setzte sich auf den steinernen Rand von etwas, das sich vor uns befand, und ließ die Beine baumeln. Ich hockte mich neben ihn. Das Geräusch des Wassers war inzwischen viel lauter.
»Wo sind wir?« Mich fröstelte.
»Den Platz habe ich vor ein paar Jahren mal entdeckt. Zusammen mit Sherwood. Früher sind wir ständig hier rausgekommen.«
Seit ich Macon kannte, hatte er Michael so gut wie nie erwähnt. Das jetzt war eines der wenigen Male, dass er es tat. Ich musste in letzter Zeit häufig an Michael denken. Wegen des Babys, natürlich. Scarlett meinte, irgendwann würde sie ihren Mut zusammennehmen und seiner Mutter einen Brief schreiben müssen. Egal ob sie nun nach Florida gezogen war oder nicht – sie hatte ein Recht darauf zu erfahren, dass ihr Enkelkind unterwegs war. »Er fehlt dir bestimmt, oder?«, fragte ich vorsichtig.
»Ja.« Hinter uns war eine dicke Betonmauer, an die er sich nun lehnte. »Echt guter Typ.«
»Wenn ich Scarlett verlieren würde – ich weiß nicht, was ich täte.« Ich hatte keine Ahnung, ob ich gerade zu weit ging oder
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