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Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Titel: Someone like you - Dessen, S: Someone like you Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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An den Wochenenden ging ich meistens offiziell zu Scarlett rüber, lief aber stattdessen an ihrem Haus vorbei, durchs Gebüsch hinter ihrem Pool, um mich mit ihm auf der Spruce Street zu treffen. Von dort aus fuhren wir einfach drauflos, überall- und |194| nirgendwohin. Allmählich, in kleinen Stücken und Häpp chen , erfuhr ich etwas über sein Leben. Sein Leben außerhalb von mir.
    Eines Abends hielten wir, nachdem wir stundenlang durch die Gegend gekurvt waren, auf einem Parkplatz am Fuß eines ziemlich hohen Hügels. Am Hang lag ein mehrstöckiges Apartmentgebäude, endlose Reihen hell erleuchteter Fenster übereinander. Das oberste Stockwerk hatte praktisch keine Wände, sondern stattdessen riesige Glasfenster. Von unten konnte ich erkennen, dass dort oben anscheinend eine Party stattfand, ein Fest auf dem Gipfel der Welt. Man konnte deutlich Leute mit Weinglä sern in der Hand herumlaufen oder -stehen sehen.
    Wir stiegen aus dem Auto, liefen den Hügel hinauf und stiegen eine Wendeltreppe mit Eisengeländer hoch. »Wo sind wir?«, fragte ich.
    »Zu Hause«, meinte Macon lapidar. Wir erreichten ein paar Glastüren, hinter denen sich eine Halle mit cremefarbenen Wänden und einem riesigen Kronleuchter auftat.
    »Zu Hause?«, fragte ich überrascht. Er hielt mir die Tür auf. Das Erste, was mir beim Eintreten auffiel, war der Geruch nach Veilchen; so duftete auch das teure Parfum meiner Mutter, das sie zu besonderen Gelegenheiten verwendete. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr: sechs Minuten nach elf. Noch vierundfünfzig Minuten, bis ich zu Hause sein musste.
    Macon ging vor mir her zum Aufzug und haute mit dem Handrücken auf einen dreieckigen Knopf. Mit einem leisen Bing glitten die Türen auseinander. Der Aufzug war mit samtigem, grünem Teppichboden ausgelegt; an der dem Eingang gegenüberliegenden Seite stand sogar ein |195| Bänkchen, damit man sich beim Fahren setzen konnte, wenn man keine Lust mehr hatte zu stehen. Macon drück te den obersten, den P-Knopf . Der Aufzug fuhr los.
    »Ihr wohnt im Penthouse?« Ich drehte mich im Kreis, betrachtete mich in den vier Spiegelwänden um uns herum.
    »Ja«, meinte er knapp, die Augen auf die Stockwerkszahlen gerichtet. »Meine Mutter steht auf so was. Zeigen, was man hat, wer man ist.« Es war das allererste Mal, dass er seine Mutter überhaupt erwähnte. Alles, was ich von ihr wusste, stammte aus der Zeit, als er und sie noch in unserem Viertel gewohnt hatten, vor vielen Jahren. Sie war Immobilienmaklerin und mindestens dreimal verheiratet gewesen, zuletzt mit einem Kerl, dem eine Steakhaus-Kette gehörte.
    »Krass. Dieser Aufzug ist edler eingerichtet als unser ganzes Haus«, meinte ich. Wieder ertönte das leise Bing, die Spiegeltüren glitten auseinander, wir betraten einen weiteren, kleineren Flur. Durch eine halb geöffnete Tür sah ich Menschen, die in Grüppchen beieinander standen und sich unterhielten. Hörte Stimmen, leises Gläserklir ren , Pianomusik.
    »Hier entlang.« Macon zog mich mit sich um eine Ecke zu einer Tür, die aussah, als läge dahinter ein begehbarer Wäscheschrank oder eine Dienstbotenkammer. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche, schloss auf und tastete nach dem Lichtschalter neben dem Türstock. Dann hielt er die Tür auf, sah mich an und wartete, dass ich eintrat. »Jetzt komm schon.« Er zwickte mich an meiner kitzligsten Stelle in die Seite. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
    Das Zimmer war eher klein und himmelblau gestrichen. |196| Außer einem schmalen, ordentlich gemachten Bett standen darin ein Schreibtisch und eine Kommode; alles wirkte funkelnagelneu. Durch eine weitere Tür auf der gegenüberliegenden Zimmerseite hörte ich, wie jemand Klavier spielte. Am Fuß des Bettes stand ein Stuhl mit einem Fernseher darauf; am Bildschirm war mit Klebstreifen etwas befestigt.
    »Ist das dein Zimmer?« Ich näherte mich dem Fernseher, weil ich sehen wollte, was daran klebte. Schien ein Foto zu sein.
    »Ja.« Er öffnete die andere Tür, die, hinter der die Party stattfand, und spähte in den angrenzenden Raum. »Wartest du kurz? Bin gleich wieder da.«
    Ich setzte mich aufs Bett und beugte mich vor, um das Foto am Fernseher zu betrachten. Irgendwie kam es mir sehr bekannt vor, bis ich schlagartig begriff: Das war ich selbst, am Grand Canyon, zusammen mit meiner Mutter. Es war das gleiche Bild, das gerahmt auf unserem Kaminsims stand. Nur fehlte meine Mutter; jemand hatte die Hälfte, auf der sie zu sehen war,

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