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Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Titel: Someone like you - Dessen, S: Someone like you Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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fein säuberlich abgeschnitten, so dass nur noch ich auf dem Foto war und mein ausgestreckter Arm, am Ellbogen ebenfalls abgeschnitten, ins Leere griff.
    Ich zog das Foto am Klebstreifen vom Bildschirm ab, drehte es um und hielt es in der Hand, als Macon mit zwei Weingläsern und einem Teller voll edler Häppchen wieder hereinkam.
    »Ich hoffe, du magst Kaviar, denn was Besseres gab es da draußen leider nicht.«
    »Woher hast du das?« Ich hielt ihm das Foto unter die Nase.
    Er sah mich an und ich hätte schwören können, dass er |197| rot wurde – und sei es für den Bruchteil einer Sekunde. »Irgendwoher.«
    »Woher?« Ich wäre nicht erstaunt gewesen, wenn ich bei meiner Rückkehr den Rahmen auf unserem Kaminsims leer vorgefunden hätte, den Rest des Raums jedoch unberührt und wie immer, alles an seinem Platz. Macon war so – trickreich, raffiniert, ein Profi.
    »Eben irgendwoher«, wiederholte er, reichte mir den Teller und eines der Gläser.
    »Woher, Macon? Sag schon.«
    »Scarlett. Ich habe es mir bei Scarlett genommen . . . geliehen. Es steckte im Spiegelrahmen.«
    Ich drehte das Foto wieder um, mit der Vorderseite zu mir. »Du hättest mich einfach fragen können, ob du eines haben kannst.«
    »Stimmt.« Doch er steckte sich etwas Kleines, Pastetenartiges in den Mund und sah mich nicht an.
    Ich küsste ihn auf die Wange; sie war glatt und weich und roch einen Hauch frisch, nach Aftershave. »Immerhin bin ich es dir wert, dass du ein Foto von mir klaust.«
    Von draußen drang weiterhin Musik zu uns in das Winzzimmer. Es kam mir vor, als wären wir blinde Passagiere. Blinde Partypassagiere.
    »Du bist nicht oft hier, oder?«, fragte ich ihn.
    »Nein.« Er richtete sich auf und trank sein Glas in einem Zug aus. »Woran merkst du das?«
    »Einfach so. Das Zimmer sieht gar nicht richtig bewohnt aus. Wo hängst du eigentlich immer so ab, Macon?«
    »Mal hier, mal da. Früher war ich oft bei den Sherwoods. Sie hatten ein Gästezimmer, sein Vater war ständig unterwegs, seiner Mutter machte es nichts aus. Und jetzt . . . ich |198| habe massenweise Freunde, bin eben irgendwie überall, du weißt schon.«
    »Klar«, antwortete ich, aber ich wusste natürlich nichts. So ein Nomadenleben war mir völlig fremd; ständig woanders sein, irgendwo abhängen oder sogar pennen, wo es einem gerade passte. Ich dachte an mein eigenes Zimmer. Es war voll gestopft mit Fotos und Andenken, mit Schulbüchern und Urkunden; sogar die Medaille, die ich bekommen hatte, als ich in der Grundschule einen Lesewettbewerb gewonnen hatte, hing noch da – eben alles, was mich, meine Person, mein bisheriges Leben ausmachte. Mein Zimmer, der einzige Ort auf der Welt, der stets nur mir gehört hatte.
    Als ich ihm einen Blick zuwarf, merkte ich, dass er mich beobachtete. Er beugte sich vor, um mich zu küssen. Ich schloss die Augen, ließ mich aufs Bett sinken, spürte, wie er mich umarmte. Aus dem Hintergrund drang weiter die Musik zu uns, sanft übertönt von den Stimmen der Gäste. Das Bett, auf dem wir lagen, fühlte sich unendlich weich und bequem an. Macon küsste mich, küsste mich immer wieder. Die Laken rochen wie er, süß und nach Rauch. Macon konnte wunderbar küssen – nicht, dass ich so viele Vergleichsmöglichkeiten gehabt hätte, doch ich wusste es einfach und versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Übung er vermutlich schon hatte.
    Nach einer Weile – es kam mir vor wie Stunden, Stunden des Glücks – fiel mein Blick auf seinen Wecker, dessen Leuchtziffern mir verkündeten, dass es neun nach zwölf war.
    »Wir müssen los.« Abrupt setzte ich mich auf. Mein T-Shirt war hochgerutscht und verknittert, mein Mund fühlte sich wie taub an. »Ich komme zu spät.«
    |199| »Zu spät?« Er sah mich verwirrt an, kriegte gerade über haupt nichts mehr auf die Reihe. »Wofür?«
    »Ich muss um Mitternacht daheim sein.« Ich schnappte mir meinen Mantel und stieg, so schnell ich konnte, in meine Schuhe. Macon sprang auf und schaltete das Licht auf dem Nachttisch an, das irgendwie und irgendwann – ich konnte mich nicht mal mehr erinnern, wann – ausgegangen sein musste. Ich schüttelte panisch den Kopf. »Meine Mutter bringt mich um.«
    Wir stürmten aus dem Aufzug, den Hügel hinunter zum Parkplatz, sprangen in sein Auto, düsten mit quietschenden Reifen um Ecken, über rote Ampeln und hielten um exakt einundzwanzig Minuten nach Mitternacht an unserer Straßenecke. Ich konnte die Lichter aus Scarletts Haus, wo ich mich angeblich

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