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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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hätte sie zweifellos auf Dick Marins Wunschliste gestanden. Ich war niemand, der skrupellos irgendwelche Leute umbrachte, aber es hatte schon etwas Schmeichelhaftes, genau dafür gehalten zu werden.
    Doch das war nur die Einleitung. In der Küche streifte ich meinen verschwitzten, ruinierten Mantel und das Hemd ab. Ich ließ etwas von dem braunen Wasser aus dem Hahn ablaufen, spritzte es mir dann hierhin und dorthin und versuchte, wenigstens den gröbsten Dreck loszuwerden. Die zahllosen Schnitte, Kratzer und Abschürfungen brannten wie Feuer; einige rissen wieder auf. Ein wenig Blut trat daraus hervor.
    »Was geht Ihnen durch den Kopf, Mr Orel?«
    Ich hörte, wie ›Canny‹ sich hinter mir auf die große Kiste setzte und stellte mir vor, wie er dort hockte, die Beine übergeschlagen, der perfekte Gentleman, einschließlich eines nachgeahmten britischen Akzents, mit dem er seinen Philadelphia-Dialekt zu übertünchen suchte. Mir war durchaus bewusst, dass ich gerade jemandem den Rücken zuwandte, der sehr wohl von Cainnic Orel selbst ausgebildet worden sein mochte.
    Eine Zeit lang saß er nur dort und schwieg.
    »Ich bin müde, Mr Cates«, setzte er schließlich an. »Ich kann dieses Leben wirklich nicht genießen – ich kann es nicht genießen, um jeden Atemzug kämpfen zu müssen, oder in einer Welt zu leben, in der keinerlei Regeln mehr gelten. Wir haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir leben unter dem Joch des Systems, oder wir leben in einer Welt, in der jeder andere versucht, einen umzubringen. Ich hätte es gerne anders.« Er blickte zu mir auf. »Deswegen habe ich mich auch dafür entschieden, mit Ihnen Geschäfte zu machen, mit Ihnen als Mensch, und Sie nicht einfach zu eliminieren.«
    Ich hob eine Augenbraue. »So einfach wäre das nicht geworden.«
    Er lächelte und schien ernstlich belustigt. »Nein, inzwischen glaube ich das auch. Sie sind ein Ehrenmann, Mr Cates. Sie halten sich an Regeln. Ich weiß das zu respektieren. Ich beneide Sie sogar darum, weil ich selbst schon vor langer Zeit begriffen habe, wie unpraktisch eine derartige Denkweise ist. Ich wünschte, es wäre mir möglich, nach Ihren Regeln zu leben. Aber ich bin mittlerweile ein alter Mann, und ich habe mehr erlebt als Sie. Regeln sind immer nur so gut wie die Leute, die sie befolgen. Wenn niemand sonst nach den eigenen Regeln spielt, wie gut sie auch sein mögen, welchen Wert haben diese Regeln dann noch?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Bloß weil jeder von uns im Dreck lebt, heißt das noch lange nicht, dass sich jeder von uns wie ein Stück Dreck verhalten muss.« Ich konzentrierte mich ganz darauf, mich sauberzuschrubben, auch wenn mein Magen sich vor Anspannung zusammenkrampfte. »Sie wollen doch auf irgendetwas hinaus, alter Mann. Legen Sie einfach los.«
    Einige Sekunden lang herrschte Schweigen.
    »Diese Harper«, sagte er dann langsam. »Was haben Sie mit ihr vor?«
    Ich zuckte mit den Schultern, zog mir einige Glassplitter aus einem tiefen Schnitt im Ellenbogen, und das braune Wasser in der rissigen, fleckigen Spüle färbte sich rot. »Ich habe nicht vor, sie zu heiraten, falls es das ist, was Ihnen Sorgen bereit.«
    Eine lange Pause, bevor er weitersprach. »Sie kann hier nicht einfach rausspazieren.«
    Ich schrubbte weiter. »Sie können mich mal.«
    »Cates, Sie wissen doch selbst, dass ich recht habe. Die Frau weiß viel zu viel – sie hat den Mönch gesehen, sie weiß, dass Gatz ein Psioniker ist. Sie darf das hier nicht überleben.«
    Ich sah keinen Anlass, ihm zu berichten, dass der SSD beides längst wusste. »Drauf geschissen! Ich habe sie nicht hierher geschleppt. Das haben Sie zu verantworten. Wenn das hier vorbei ist, macht das auch keinen Unterschied mehr. Und so lange können wir sie noch hierbehalten.«
    »Es macht keinen Unterschied mehr?« Er lachte. »Hören Sie doch auf, Mr Cates. Das ist Schwachsinn, und das wissen Sie selbst.«
    Ich drehte den Wasserhahn zu und wandte mich dem Alten zu; rot gefärbtes Wasser troff von meinem Leib herab. »Es gibt eine ganze Menge, was Sie nicht wissen. Über mich, über diesen Job. Über unseren Auftraggeber.«
    Er nickte. »Dann klären Sie mich auf, Mr Cates. Ich werde nicht zulassen, dass sie einfach hier hinausspaziert, nachdem sie mein Gesicht gesehen hat und genau weiß, dass ich damit irgendetwas zu tun habe. Hier geht es nicht um irgendeinen Blechkopf, der, wenn er zur Identifizierung einen Scan meines Gesichtes an Mutter Kirche übermitteln würde,

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