Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
Kosten und Mühen scheuen, Sie Ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
Mit meinen blutigen, aufgerissenen Händen rieb ich mir über das Gesicht. »Passen Sie etwa auf mich auf, Marin?«
Er grinste mich an, und dann, vom einen Augenblick auf den nächsten, war das Grinsen auch schon wieder verschwunden. »Nein. Ich bin hierhergekommen, um nach Ihnen Ausschau zu halten. Nachdem ich dem Funkverkehr des SSD ein wenig gelauscht hatte, war es recht einfach, Sie zu finden.« Er hielt inne, und auch seine sonst stets rastlosen Hände bewegten sich plötzlich nicht mehr. »Sie müssen loslegen. Bald. Heute oder morgen.«
»Was ist hier los?«
Marin ließ eine Kugel in den Lauf einrasten, stand auf und griff nach seinem Werkzeugetui. »Legen Sie einfach nur los.« Er blickte sich in dem völlig zerstörten Raum um. »Wirklich beeindruckend, Mr Cates. Ich muss zugeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie so lange überleben würden. Sehen Sie zu, dass Sie noch ein paar weitere Tage schaffen.«
Erneut grinste er mich an, es war ein Lächeln wie für einen Fotografen, und dann ging er auf eine der sonnenbeschienenen Türen zu. Ich starrte Marin hinterher.
»Gottverdammt nochmal, was ist hier los?«, brachte ich schließlich heraus.
Er drehte sich nicht um, und kurz darauf war er ins Tageslicht verschwunden. Der Oberschnüffler persönlich war hierher gekommen, um einen seiner eigenen Untergebenen zu erschießen und mich zum Handeln aufzufordern. Ich ließ mich wieder gegen die Wand sacken und saß einen Moment lang nur sprachlos dort.
Eine blecherne Serenade von Mr Kieth! Besucher mit Genehmigung! Mr Kieth! Besucher mit Genehmigung! begleitete mich, als ich in die Montagehalle hinkte. Während ich an der gefesselten und geknebelten Marilyn Harper vorbeiging, blickte sie mich aus blutunterlaufenen Augen zornig an. Vor meinem Team blieb ich stehen und schaute allen der Reihe nach geradewegs in die Augen; bei Canny Orel hielt ich inne. Der alte Revolverheld sah aus, als habe er den Nachmittag damit verbracht, Körperpflegemittel einzukaufen. Er grinste mich an, und im Vergleich zu Dick Marins insektenartigen Mandibeln war es ein natürliches, menschliches Grinsen, das ihn mir schon fast sympathisch machte.
»Wie heißt du richtig?«, fragte ich, ohne mit einer Antwort zu rechnen. Er lächelte nur.
»Wir lassen nicht locker, was?«, gab er dann zurück.
Ich nickte. »Hartnäckig wie die Küchenschaben. Wie ist der Einkauf verlaufen?«
Nun war es an Canny, zu nicken. »Mr Material hat alles besorgen können.«
Über ihre Schultern hinweg deuteten Milton und Tanner auf einen massigen Schatten neben unserem Schweber, verdeckt von einer großen Plane. »Der Vid-Schweber, wie gewünscht«, erklärte Milton säuerlich. »War übrigens verdammt schwer zu kriegen. Und das Ding ist wirklich heiß – wenn du mich fragst, wird der nicht lange gestohlen bleiben.«
Ihre Zwillingsschwester, die wie stets neben ihr saß, ahmte ihr grimmiges Nicken perfekt nach.
»Ist egal«, sagte ich und blickte zu Ty hinüber. »Lange werden wir den auch nicht brauchen. Mr Kieth?«
Er lächelte. »Voller Erfolg, Mr Gates. Wir sind im Geschäft.«
Ich seufzte. »Also gut. Ich gehe mich jetzt erst mal sauber machen. Keiner von euch geht weg. Morgen werden wir loslegen, also müssen wir noch eine Einsatzbesprechung abhalten.«
Diese Ankündigung sorgte für einige Unruhe. Als ich in Richtung Küche ging, legte mir Orel eine Hand auf den Arm und verlangsamte so meinen Schritt; erneut fiel mir auf, wie gepflegt Orels Fingernägel waren.
»Darf ich Sie begleiten?«
Ich zuckte die Achseln. Er schloss sich mir an und begleitete mich, die Hände in den Taschen, den Kopf gesenkt, den Blick fest auf den Fußboden gerichtet.
»Ich bin beeindruckt, Mr Cates, dass Sie heute überhaupt zurückgekehrt sind. Ich kann mich genau erinnern, dass mindestens zwei System-Polizisten aus der Formation ausgebrochen sind und Sie verfolgt haben.«
»Drei«, korrigierte ich ihn und verzog bei jedem zweiten Schritt gequält das Gesicht – immer, wenn ich mein linkes Knie belasten musste. Eine Sekunde lang zögerte ich. »Wer auch immer Sie in Wirklichkeit sind: Haben Sie wirklich zu den Dúnmharú gehört? Ohne dass Sie damit irgendetwas über Ihre wirkliche Identität aussagen würden.«
»Ohne irgendetwas über meine wirkliche Identität auszusagen«, sagte er, ohne mich anzublicken. »Ja.«
Die Dúnmharú: Hätte diese Organisation immer noch existiert,
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