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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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versuchte, den Operationstisch genauer zu erkennen. Ich musste aufstehen, musste mich orientieren, und dafür brauchte ich Zeit.
    »Scheiß-Bullen«, keuchte ich. »Ihr hättet mich umgebracht.«
    Eine unmittelbare Antwort erhielt ich nicht, hörte nur ein sonderbares, flatterndes Geräusch, und dann landete Dawson unmittelbar vor mir; einer seiner schweren Stiefel krachte schmerzhaft auf meine flache Hand. Aus irgendeinem Grund war der Schwung nicht heftig genug, um sie mir zu brechen, dennoch heftig genug, um unerträglich zu schmerzen – der Schmerz zuckte meinen Arm empor und erfasste mich mit voller Wucht. Hilflos bebte ich, den Mund weit geöffnet, doch es kam kein Laut heraus.
    »Wir hätten Sie getötet? Natürlich hätten wir Sie getötet. Das ist unser Scheißjob - die Herde ausdünnen! Wenn wir einfach zulassen, dass ihr Dreckskerle euch vermehrt, dann werdet ihr früher oder später zu einem echten Problem. Wollen Sie mir etwa empfehlen, ich solle meinen Job nicht anständig machen?«
    So schlimm der Schmerz auch war, er war nicht mit den unerträglichen Qualen vergleichbar, die ich die ganze letzte Stunde über – oder wie lange es auch immer gedauert haben mochte – ertragen hatte: tot in einem elektronischen Sarg. Ich entschied mich für eine andere Taktik und ließ mich zusammensacken, tat so, als hätte ich das Bewusstsein verloren. Natürlich bestand die Gefahr, dass ich mir so eine Kugel in den Hinterkopf einfing, aber eigentlich glaubte ich das nicht. Dawson hatte hier entschieden zu viel Spaß.
    »Oh nein, das werden Sie nicht tun«, sagte er munter, und plötzlich ließ der Schmerz in meiner Hand nach. Er hob mich hoch und warf mich auf den Operationstisch, als sei ich leicht wie eine Feder. Der Tisch klapperte ein wenig, doch er trug mein Gewicht, und unwillkürlich stieß ich einen leisen Schmerzensschrei aus, als ich auf die Metallfläche krachte; instinktiv zuckten meine Arme empor, um mein Gesicht zu schützen.
    »So ist’s besser«, sagte Dawson. »Ich möchte das hier richtig genießen können, und dafür müssen Sie doch unbedingt wach sein. Werden Sie mir bloß nicht wieder ohnmächtig, sonst fange ich damit an, Ihnen einen Zahn nach dem anderen zu ziehen.«
    Ich wand mich und stöhnte – dafür brauchte ich mich nicht einmal sonderlich zu verstellen –, und gleichzeitig blickte ich mich hastig in diesem kleinen Raum um. Zwei Türen, ein kleines, quadratisches Zimmer. Kurz schloss ich die Augen und rief mir die Karte des CK-Komplexes ins Gedächtnis zurück. Dann hatte ich den Raum gefunden, in dem ich mich hier befinden musste – und jetzt wusste ich auch, durch welche Tür ich weitergehen musste. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah, wie Dawson sein Spiegelbild auf der hochglanzpolierten Tischplatte bewunderte. Zweifellos hatte er mich nicht vergessen, aber tief in seinem Innersten war Dawson immer noch ein Mensch. Ohne einen Verhaltens-Chip, der jeden unüberlegten oder aus dem Wahnsinn geborenen Gedanken in Standard-Mönchs-Reaktionen umwandelte, war er genau so langsam und kompliziert wie jeder andere auch.
    Langsam atmete ich tief ein, die Luft schien meine Lungen in Scheiben zu schneiden. Dann ballte ich die Hände fest genug zu Fäusten, um meine Knöchel knacken zu lassen. Ich schloss die Augen, während ich wieder ausatmete, und stellte mir ganz kurz einen Strand vor: Weißer Sand, fast graues Wasser, mit weißen Schaumkronen, ein blauer, kristallklarer Himmel. Ich konnte mich nicht erinnern, wann oder wo ich so etwas schon einmal gesehen hatte – als ich noch ein Kind gewesen war? oder war es ein Bild aus einem Vid? –, aber da war es, in meinem Kopf. Ich hatte es sorgfältig rekonstruiert, einschließlich des sanften Rauschens der Wellen und des Windes, dem einsamen Schrei eines Vogels in der Ferne. Darauf konzentrierte ich mich, ließ zu, dass sich meine Gedanken an einem einzelnen Punkt sammelten -jenem Punkt, an dem sich meine Waffe befand. Wo sich Dawson befand. Dawson mochte hydraulische Gelenke und ein CPU-optimiertes Zielvermögen auf seiner Seite haben: Auf meiner Seite standen Verzweiflung, Entsetzen und Schmerz.
    Ein letztes Mal ließ ich den Blick über den Strand schweifen, dann setzte ich mich in Bewegung. Eine Hand zuckte zur Waffe, riss sie aus dem verborgenen Holster. Mit der anderen packte ich die Tischkante und rollte mich rückwärts ab, riss im Fallen den Tisch um, sodass die Tischplatte hochkant stand und mir Deckung bot. Heftig prallte ich auf

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