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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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ab und suchte erneut nach dem Mann, der dafür sorgen sollte, dass ich heute Abend noch etwas zu essen bekäme. Die drei drängten sich immer noch durch die Menschenmassen, als gehöre die Straße ihnen ganz allein. So bühnenreif, wie die hier auftraten -voller zur Schau gestellter Entschlossenheit und hochherrschaftlichem Gepränge – war der ›Kleine Prinz‹ wahrscheinlich unterwegs, um Geld einzutreiben, Wasser aus Felsen sprudeln zu lassen und noch andere Wunder zu wirken, die durchaus das gleiche Niveau hatten, wie meinen Mitbürgern Geld abzuknöpfen. Das alles war für mich klar von Vorteil, schließlich blickten echte zähe Burschen nicht unruhig hinter sich, um zu schauen, ob sich wohl jemand anschlich, und echte zähe Burschen brauchten auch keine grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Jeden Tag starben aufs Neue irgendwelche Idioten, bloß weil sie ›echte zähe Burschen‹ spielten, während man mit der guten alten Paranoia und ein wenig Feigheit ganz schön weit kommen konnte. Das war noch nicht einmal Feigheit: Das war lediglich eine Abneigung gegen den Tod an sich.
    Die Mönche hielten immer noch mit mir Schritt, doch mittlerweile blickten sie mich nicht mehr an. Sie durchquerten einfach die Menschenmenge. Nach allen Erfahrungen, die ich bislang mit ihnen gemacht hatte, waren sie harmlos, aber sie waren schon wirklich unheimlich. Selbst Leute, die davon lebten, ihre Mitmenschen umzubringen oder zu verstümmeln, wichen vor diesen perfekten Gummigesichtern unweigerlich zurück, und auch vor dieser gelassenen Gewissheit, die sie stets verströmten. Ich zweifelte nicht daran, dass die Mönche sich im Notfall ganz wunderbar würden verteidigen können, doch jeder Mönch, dem ich jemals begegnet war, hatte sich stets höflich verhalten und jegliche Konfrontation vermieden. Und trotzdem verpassten die Blechköpfe mir jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut, und dass mir jetzt gleich drei von denen auf den Fersen waren, an mir hingen wie der berühmt-berüchtigte Albatros, machte mich wirklich nervös.
    Die Menschenmenge dünnte sich ein wenig aus, als wir weiter nach Norden kamen; behelfsmäßige Verkaufsstände säumten die Bürgersteige oder standen mitten auf der Straße: kleine Hütten aus altem Holz. Darin wurde angeboten, was auch immer man hier für den Verkauf zu organisieren wusste – im Allgemeinen so wertloses Zeug, dass niemand auch nur auf die Idee käme, es zu stehlen. Je weiter in Richtung Uptown man kam, desto besser wurden die feilgebotenen Waren, und irgendwann kam man in Regionen, in denen die Brecher einen sofort misstrauisch musterten und die Geschäfte mit ernst zu nehmenden Sicherheitskräften zusammenarbeiteten-vor allem, um Leute wie mich fernzuhalten. Innerlich spannte ich mich ein wenig an, fest entschlossen, die Mönche zu ignorieren. Wenn der ›Kleine Prinz‹ wirklich irgendwo auf jemanden Druck ausüben wollte, der ihm ein paar Yen schuldete, dann musste das hier geschehen. Noch weiter Uptown, und der ›Kleine Prinz‹ wäre völlig fehl am Platz.
    Und tatsächlich: Er hielt vor einem schäbigen kleinen Stand, hinter dem ein Mann etwa meines Alters stand. Bei ihm waren zwei kleine Kinder, deren ausdrucksloser Blick unverkennbares Zeichen für immense Armut war. Hier wurden Fleischpasteten verkauft, und es bestand auch kein Zweifel, um was für Fleisch es sich handelte, schließlich lagen daneben haufenweise tote Ratten, die die Kinder nach und nach häuteten – einfach hier, mitten auf der Straße. Das Geschäft lief nur schleppend, denn Ratten gab es überall, und wenn man wollte, konnte man gleich fünf Stück fangen, ohne sich im Mindesten anstrengen zu müssen.
    Der Besitzer trat vor und rang die Hände. Ich hörte nicht zu, was dort gesagt wurde, ich schaute nur zu: Der ›Kleine Prinz‹ streckte die Brust heraus und verschränkte die Arme, lauschte dem bedeutungslosen Flehen des alten Mannes und den Ausflüchten, die ihm hier aufgetischt wurden; das Kinn weit vorgestreckt nickte er hin und wieder ernsthaft. Die beiden Schlägertypen sorgten für das bedrohliche Element bei diesem Auftritt: Sie ließen die Kinder immer wieder zusammenzucken und rissen nach und nach Waren von der Theke. Sie spielten ›harte Burschen‹.
    Ich handelte schnell. Gesprochen wurde nicht. Ich hielt keine Rede. Ich war ja nicht hier, um irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Rasch blickte ich die Straße auf und ab, hielt Ausschau nach Brechern oder – was noch schlimmer wäre –

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