Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
oberhalb der uralten Holztischplatten zu halten, die man aus den Trümmern zahlreicher Revolten der Vergangenheit geborgen hatte. Ein sonderlich friedfertiger Ort war ›Pickering's‹ nicht gerade – in dieser Zeit hatte man entweder einen Job oder eben nicht, man gehörte entweder der System-Polizei an oder war ein Krimineller. Anders ging es gar nicht, und im ›Pickering’s‹ drängten sich zahllose ausgemergelte, graue Gestalten wie ich – Leute, denen es auch nichts ausmachte, notfalls jemanden umzubringen, irgendetwas zu stehlen. Leute, die im Laufe ihres Lebens nach und nach verhungerten. Auch im ›Pickering’s‹ kamen Leute ums Leben. Selbst an den zivilisiertesten Orten gab es immer mal solche Augenblicke.
    Nad und ich hatte einen Platz an einem Tisch im hinteren Teil des Raumes gefunden, ganz in der Nähe der Tür, vor der Kev Gatz Wache hielt. Er war schon ordentlich abgefüllt und daher nicht in der Lage, unserem Eindringen Widerstand entgegenzusetzen. Ich drängte mich an ihm vorbei und ging zu der Seite des Raumes hinüber, die dem Eingang gegenüber lag. Mit einigen Bechern von Picks Möchtegern-Gin-Fusel gossen wir uns einen auf die Lampe und unterhielten uns währenddessen über die Mönche. Nads aktuelle Besessenheit gewann die Oberhand über meine unendliche Müdigkeit. Abgesehen davon hatte ich die paar jämmerlichen Yen in der Tasche, die ich für den Auftrag mit dem › Kleinen Prinzen‹ eingestrichen hatte – das war ein Job, auf den ich nicht gerade stolz war, deswegen wollte ich darüber nicht einmal nachdenken –, und Nad war bereit, mir ein paar Runden zu spendieren, also ließ ich ihn reden, auch wenn er mir schon wieder die Geschichte mit Kitlar Muan erzählte und ich Nad am liebsten die Nase gebrochen hätte, damit er endlich die Klappe hielt. Aber nach so einem Tag kam man bei mir ziemlich weit, wenn man mich mit Getränken freihielt.
    »Wer zum Teufel«, wunderte sich Nad, »würde sich denn den Schädel aufsägen lassen, bloß damit irgendjemand ihm das Gehirn ’rausnimmt und es in eine Blechdose stopft?«
    Schweigend saß Kev Gatz dort. Gatz war … etwas Besonderes. Wir nannten ihn den ›Pusher‹. Er sagte fast nie etwas; sein graues, zerzaustes Haar war mit den Jahren immer spärlicher geworden, und sein Gesicht wirkte, als habe man ihm die Haut viel zu straff über die Knochen gespannt. Auf der Nase hatte er eine dunkle Sonnenbrille – diese Brille trug Gatz fast immer. Er saß so reglos da, dass man immer wieder erstaunt war, wenn der Inhalt seines Glases plötzlich zur Neige ging. Es war fast, als würde Gatz ständig darauf warten, dass man den Blick abwandte, bevor er sich bewegte.
    »Nad«, krächzte er, »halt einfach die Klappe, okay?«
    Ich schwenkte den Fusel in meinem Glas, blickte mich im Raum um und war noch müder als zuvor. Hier war die Creme de la Creme aller Diebe und Mörder von Manhattan versammelt; sie betranken sich und wurden lauter und lauter. Wenn der SSD hier jetzt eine Razzia durchführen würde, dann würde das eine ganze Menge anhängige Fälle lösen, ging es mir durch den Kopf. Aber die Bullen würden einen verdammt hohen Preis dafür zahlen müssen, alleine schon wegen der ganzen Waffen, die hier in verschiedenen Holstern, Geheimtaschen und verborgenen Federmechanismen in so manchem Ärmel versteckt waren. Nicht, dass eine Razzia hier sonderlich wahrscheinlich gewesen wäre: Pick schmierte die Brecher genug, um den Eindruck zu erwecken, ›Pickering’s‹ sei so etwas wie ein schwarzes Loch. Ein paar Leute nickten mir zu, während ich mich so umschaute, und ich erwiderte die wortlosen Grüße mit dem schweigenden Kopfnicken, das sich alle hartgesottenen Burschen angewöhnt hatten. Darin hatte ich wirklich Übung.
    Ich atmete tief ein, schloss die Augen und leerte meinen Becher in einem raschen Zug. Den nächsten Atemzug tat ich erst, nachdem ich spürte, wie der Fusel einer hochkonzentrierten Säure gleich meinen Magen angriff; es fühlte sich fast an, als hätte ich Bleischrot geschluckt. Ich verzog das Gesicht und knallte meinen Becher auf den Tisch, kämpfte gegen das fast übermächtige Bedürfnis meines Körpers an, dieses Getränk umgehend wieder loszuwerden, und sofort verwandelte sich das schmerzhafte Brennen in meinem Magen in ein tröstliches, warmes Glimmen. Ich entspannte mich und bedeutete Melody, uns eine neue Runde einzuschenken. Dabei wies ich fröhlich auf Nad.
    Nad hatte Kevs Ratschlag nicht befolgt. Während er immer

Weitere Kostenlose Bücher