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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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weiter über die Mönche schwadronierte, wie unheimlich er die fand, und wie jeder, der sich für so eine Scheiße freiwillig meldete, doch völlig bescheuert sein müsse, öffnete sich hinter ihm eine Tür, und mit einem peitschenden Windstoß und einem Schwall Regen kam aus der pechschwarzen Nacht ein Mönch und betrat ›Pickering’s‹. Zunächst fiel er kaum jemandem auf – die Mönche schienen gelegentlich daran interessiert, derartige Etablissements aufzusuchen; sie sagten dann brav ihr Sprüchlein auf und verschwanden wieder. Dieser jedoch blieb hinter Nad stehen, neigte den Plastikschädel zur Seite und hörte zu. Mein Magen stellte etwas Sonderbares an: Er verkrampfte sich. Gleichzeitig spürte ich, wie sich sämtliche Härchen an meinen Armen aufstellten. Ich musste an die drei Mönche denken, die uns vorhin verfolgt hatten, und richtete mich ein wenig weiter auf, den Blick fest auf den Blechkopf gerichtet.
    »Ich vermag Ihre Aversion gegen dieses Konzept durchaus zu verstehen«, sagte er mit der tiefen, modulierten Standard-Synthesizerstimme. »Mir selbst erging es früher ebenso.«
    Im ›Pickering’s‹ wurde es ein wenig leiser. Es herrschte zwar nicht völliges Schweigen, doch man merkte dennoch deutlich, dass viele der Anwesenden ihre Aufmerksamkeit jetzt etwas anderem widmeten als noch wenige Sekunden zuvor. Normalerweise kamen die Mönche in irgendeine Kneipe, hielten ihre übliche Rede und kamen bestens damit zurecht, einfach ignoriert zu werden, doch diesmal war es etwas anderes. Niemand von uns ging ins ›Pickering’s‹, um etwas anderes zu bekommen. Wir kamen hierher, um irgendwelche Geschäfte abzuschließen, uns neue Strategien zurechtzulegen und so viel zu trinken, dass wir nicht mehr geradeaus blicken konnten.
    Nad verzog das Gesicht, doch er drehte sich nicht um. Er sackte in sich zusammen und fiel dann vornüber auf die Tischplatte.
    »Ich würde mit Ihnen gerne über die Unsterblichkeit sprechen, wenn es Ihnen recht ist, Mr … Muller, nicht wahr?«, sprach der Mönch weiter. Die wussten immer genau, mit wem sie es gerade zu tun hatten. Datenübertragung von ihrer Mutterkirche, optische Gesichtserkennung; sie machten einen Schnappschuss von ihrem Gegenüber und ordneten die biometrischen Daten sofort den anderen Datensätzen zu, genau wie die Droiden das auch machten. Aber das waren keine Droiden! Das waren Cyborgs – menschliche Gehirne in Robot-Körpern –, und früher waren sie einmal ganz normale Leute gewesen, Typen wie ich. »Das dauert nur wenige Minuten, und ich wüsste es wirklich sehr zu schätzen, wenn Sie sich die Zeit nähmen.«
    Alle in der Kneipe beobachteten Nad aus dem Augenwinkel – sie waren zu cool, um wirklich zu ihm hinüberzublicken, aber interessiert waren sie eben doch. Dass irgendjemand an der Straßenecke stand und predigte, war ziemlich normal, aber ich glaube nicht, dass ich jemals miterlebt hatte, wie einer der Mönche ein richtiges Gespräch angefangen hatte. Mittlerweile gab es auf den Straßen immer mehr dieser Blechköpfe; sie erzählten einem, wie toll es doch sei, unsterblich zu sein, durch ein kleines Kernkraftwerk angetrieben zu werden und nie wieder Schmerzen spüren zu müssen – und verdammt noch mal, selbst ich ertappte mich hin und wieder bei dem Gedanken: Verflucht, was ist, wenn diese Scheißkerle tatsächlich recht haben?! Aber die tauchten immer auf, als hätte irgendjemand sie herbeigezaubert, und sie konvertierten einfach über Nacht, wie dieser Freund von Nad, dieser Kidar Muan. Die Neugier nagte an der ausdruckslos-coolen Miene eines jeden von uns, obwohl wir uns stets mühten, unserer Umwelt genau diese ausdruckslos-coole Miene zu präsentieren, vierundzwanzig Stunden am Tag.
    Nad hatte nicht gerade Spaß an dem Gespräch. Er war wirklich kein harter Bursche. Seine Antwort auf die Frage des Mönchs, die er vor sich hinmurmelte, während sein Becher noch die Lippen berührte, war kaum zu hören. »Nein, nein, ich hab viel zu viel zu tun …«
    Ich behielt den Mönch im Auge und ließ aus reinem, dummem Instinkt meine Hand in die Manteltasche wandern. Es gab hier nichts zu befürchten: Die Mönche taten nie irgendwas. Aber ich war trotzdem so angespannt, als hätte irgendjemand eine Pistole auf mich gerichtet.
    »Ich verstehe«, erwiderte der Mönch sofort; er klang äußerst freundlich. Kerzengerade stand er vor uns, und sein ungerührtes Lächeln veränderte sich kein bisschen. »Wirklich, ich verstehe das. Die Zeit ist der

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