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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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sogar ziemlich gut gewesen. Zumindest bei allen Sachen, die nichts mit Gewalt zu tun hatten. Er war gut genug gewesen, um diese Bar aufmachen und sich zur Ruhe setzen zu können, und nun war er eine der wichtigsten Anlaufstellen in ganz Manhattan. Der Alte Pick wusste alles, was in Manhattan passierte, und er kannte wirklich jeden.
    Der Raum quoll vor Unterlagen und Kisten regelrecht über. Ich wusste zwar noch, wie das mit dem Lesen ging, aber in letzter Zeit hatte ich einfach nicht mehr geübt, und so machte ich mir gar nicht erst die Mühe, die Inschriften auf allem zu lesen. Pick hatte schon seine Gründe. In der hinteren Ecke, eingehüllt in den bläulichen Lichtschein eines uralten Kathodenstrahlen-Monitors, der seinerseits mit einem uralten, winzigen Computer verbunden war – noch aus der Zeit vor der Vereinigung –, stand ein gewaltiger Schreibtisch aus Holz, auf dem noch mehr Unterlagen gestapelt waren, doch das Herzstück des Ganzen war ein riesiger Aschenbecher, gefüllt mit den Kippen eines ganzen Tages – ein immenser Aschehaufen und billige Stummel ohne Filter. Pick selbst war ein fetter Mann, der sich kaum noch bewegen konnte. Sein langes, graues Haar war immer schmutzig, sein rundes Gesicht sah aus, als hätte er so manchen Schlag eingesteckt. Es gelang ihm, für jeden Besucher den Eindruck zu erwecken, als sei er schon seit Jahren nicht mehr aufgestanden, und dieses Büro sei praktisch um ihn herum immer weiter gewachsen. Er wandte sich nicht einmal um, als wir eintraten. Er sah nicht so aus, als hätte er sich überhaupt umdrehen können – ein fetter Kloß von einem Mann, der vor einer Tastatur kauerte – einer Tastatur! – und den uralten Bildschirm anstarrte.
    »Das ist wirklich primitiv«, sagte ich beiläufig – wie jedes Mal. Das war eine Art Running Gag zwischen uns. Ich schlängelte mich zwischen den ganzen Stapeln Müll hindurch. Hinter mir hörte ich sehr dumpf den Lärm aus der Bar; dieser Raum war extra verstärkt und abhörsicher.
    Pick stieß einen Grunzlaut aus. »Du kannst mich mal, Cates. Das stammt alles noch aus der Zeit vor dem ›Großen V‹, also gibt’s keine Seriennummern, keine Tracker und keine Spyware, klar? Viel kann ich damit nicht ausrichten, aber was ich hinbekomme, sieht keiner von den Scheiß-System-Bullen. Also, leck mich!«
    Ich lehnte mich gegen einen hohen Kartonstapel neben seinem Schreibtisch und versuchte, so ungezwungen wie möglich zu wirken. »Fett bist du geworden, Pick.«
    Mürrisch verzog er das Gesicht, ließ sich in seinem Sessel zurückfallen und beendete damit vorerst seine Arbeit. »Schon gut, ich hab’s kapiert. Ich werde hier einfach keine Ruhe kriegen, bis du meine ungeteilte Aufmerksamkeit gekriegt hast. Was kann ich für Sie tun, Mr Gates? Und … öhm …« Ein wenig verwirrt spähte er zu Gatz hinüber, und sein Gesicht mit den fleischigen Hängebacken verzog sich zu einer konzentrierten Grimasse. »Mr Gatz? Der berüchtigte Mr Gatz, der Mann mit den Glubschaugen. Ihren Namen habe ich auch schon öfters gehört.«
    Gatz lehnte sich gegen einen hohen Papierstapel. Er sah aus, als würde er jeden Moment tot umfallen. »Ach ja?«
    Pick nickte und wandte sich wieder mir zu. »Und?«
    »Ich trommele ein Team zusammen.«
    »Ach ja? Festgehalt oder Anteil?«
    »Anteil. Ich habe ein paar Anfangskosten, aber nicht allzu viel.«
    »Größenordnung?«
    »Riesig … möglicherweise. Und außerdem riesig gefährlich.«
    »Hmpf«, grunzte Pick. »Wieder mal typisch. Hör zu, Cates, wenn du die Tretmühle irgendwann leid bist und lieber was Richtiges arbeiten willst, sag mir Bescheid. Okay, dann lass mal hören.«
    Ich schüttelte den Kopf. Pick war der Ansicht, wir wären alle besser dran, wenn wir versuchen würden, das System zu zerstören, und ich hatte die dazugehörige Predigt schon viele, viele Male gehört. »Nein, nein. Das würde mir ja die Überraschung verderben.«
    Pick grinste; seine Zähne waren weiß und kräftig, wie das bei alten Leuten aus der Zeit vor dem ›Großen V‹ eben war. Meine eigenen waren gelb verfärbt und taten dauernd weh. Gatz hatte insgesamt noch vielleicht zehn Zähne übrig – vor allem vorne. Wir bekamen nicht oft genug etwas zu essen, um uns um unsere Beißer Sorgen machen zu müssen. In Picks aufgedunsenem Gesicht mit dem stahlgrauen Haar wirkten sie regelrecht erschreckend und irgendwie falsch. Alles, was eigentlich echt war, wirkte heutzutage falsch. Nur Falsches schien echt. »Ich krieg’s sowieso

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