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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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die Straße. Man spielte seine Rolle. Man spielte eine Rolle, bloß um über die Straße zu kommen. Ich blickte mich in der Menschenmenge um, spielte wieder einmal den hartgesottenen Burschen und versuchte nach Kräften, mir meine Verachtung der ganzen Welt gegenüber anmerken zu lassen. Die diebische, wogende Masse aus Armen und gierigen Langfingern war der Feind, und sie alle warteten nur darauf, einen fertigzumachen. Das durfte man nicht zulassen, denn wenn man auch nur einen von denen an sich heranließ, würde der Rest über einen herfallen.
    Gatz und ich gingen zu Fuß, genau wie all die anderen Verlierertypen, und so drängten und schubsten wir uns durch diese Menschenmasse, die beinah eine massive Wand aus Fleisch bildete. Das Problem dabei, die ganze Zeit über den Hartgesottenen zu markieren, war nun einmal, dass alle hier die ganze Zeit über den Hartgesottenen markierten. Und ich stand in einem Ruf, der die Leute dazu brachte, mir gegenüber ganz besonders unhöflich aufzutreten, nur um mir zu zeigen, dass sie keine Angst vor mir hatten. Arschlöcher!
    Und so war es doch ziemlich offensichtlich, was hier wirklich vor sich ging, als die Menschenmassen rings um uns nach und nach immer lichter wurden und Kev und ich deutlich leichter vorankamen.
    Ich blickte zu Gatz hinüber. »So’n Scheiß. Wir erarbeiten uns allmählich einen Ruf.«
    Gatz machte ein Gesicht, als hätte er einen Stein verschluckt. »Allmählich?«
    Als der Cop hinter uns sich lautstark räusperte, war die Straße menschenleer – von drei Brechern abgesehen, die sich gegen eine bröckelnde Häuserwand lehnten. In ihren schlechtsitzenden, schmutzigen Uniformen wirkten sie unendlich ungepflegt; ihre Mienen waren unbewegt, dabei aber unverkennbar besorgt. Abgesehen von den dreien hatten wir die Straße ganz für uns allein. Ich hätte hier einen Tisch aufstellen und diesen Bullen zum Abendessen einladen können, und niemand hätte uns belästigt.
    Ich schaute nach hinten. »Colonel Moje«, sagte ich. Als ich mich umdrehte, stand er vielleicht noch einen Meter hinter uns. Im schmutzig-grauen Licht von Manhattan schien der Mann fast zu leuchten. Dem Kerl standen solche Anzüge wirklich gut: Purpur, mit Nadelstreifenmuster, das Revers ausgestellt, dazu auffallende Manschetten. Wie ein Zepter hielt er einen dunklen, fast schwarzen Gehstock in der Hand und wedelte damit sinnlos in der Gegend herum. »Was für eine Scheiß-Freude!«
    Er grinste; wieder war sein Bart säuberlich gestutzt, und die grauen Strähnen in seinem Haar verliehen ihm ein distinguiertes, fast professorales Aussehen. Dann warf er seinen Stock in die Luft, fing ihn geschickt wieder auf, schwang ihn ausladend zur Seite und schlug zu – genau in meine Magengrube.
    Ich keuchte, hatte das Gefühl, dabei meine Nieren auszuatmen, und plumpste zu Boden wie ein Sack Kartoffeln. Ich versuchte wieder Luft in die Lunge zu saugen – ganz vorsichtig, doch es fühlte sich an, als habe man mir einen kleinen Gummistopfen in die Kehle gestopft.
    »Mr Cates«, sagte Moje schwer atmend. »Mein Name ist Elias Moje, bitte vergessen Sie das nie wieder. Schließlich hat man mich auf Sie aufmerksam gemacht.«
    Oh Scheiße, dachte ich. Dieser Kerl nimmt sich selbst aber verdammt ernst. Aus meinem aktuellen Blickwinkel sah ich bloß seine hochglanzpolierten Stiefel.
    »Gewisse Individuen haben mich auf den Gedanken gebracht, mir Ihre Akte anzuschauen, Cates, und so habe ich einen ganzen Nachmittag damit verbracht. Sie halten sich für Weltklasse. Sie glauben, sie wären ein schlechter Mensch. Ich will Ihnen mal was sagen, Mr Cates: Sie sind kein schlechter Mensch. Ich bin ein schlechter Mensch.«
    Mit diesem riesigen Felsbrocken, der noch irgendwo in meiner Luftröhre steckte, konnte ich nur immer weiter diese unglaublich glänzenden Schuhe anstarren, während rote Flecken vor meinen Augen tanzten. Ich dachte: Scheiße, wer bezahlt diesen Hurensohn dafür, mich von meinem Job abzuhalten?
    »Ich weiß, dass du für diesen Dreckskerl Marin arbeitest«, zischte Moje. »Und ich sag dir jetzt: Du wirst sofort damit aufhören. Trau dich ja nicht an die Cyber-Kirche ran, verstanden? Ich sag dir: Lauf einfach weg. Verkriech dich irgendwo.«
    Meine Kehle erweiterte sich um einen winzigen Spalt, und ich sog keuchend und pfeifend Luft in meine schmerzenden Lungenflügel. Unsanft stieß mich Moje mit der Stiefelspitze an. »Hast du mich verstanden, du Schwachkopf?«
    Ich stützte die Handflächen auf das

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