Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch
Straßenpflaster und keuchte; die Öffnung in meiner Kehle wurde ein wenig größer. »Jau, hab verstanden.«
»Ich behalte Sie im Auge, Cates. Bleiben Sie sauber.«
Ich schaute zu, wie seine Stiefel davonstapften; Moje verwandelte sich in ein kleineres Abbild seiner selbst, dann verschwand er in der plötzlich wieder zurückgekehrten Menschenmenge. Schließlich half mir Gatz auf die Beine, und ich wischte mir die Spucke vom Kinn und schaute die Stelle an, an der gerade eben noch Moje gestanden hatte. In mir brannte der Zorn der Beschämten.
»Der mag dich nicht«, merkte Gatz an.
»Du warst mir ja ’ne Riesenhilfe«, fauchte ich. »Und das hat überhaupt nichts mit mir zu tun, verdammt. Irgendwer bezahlt diesen Bastard!«
Es war alles andere als ungewöhnlich, dass Firmen oder sehr wohlhabende Privatleute System-Cops als Leibwächter anheuerten – oder für sonstige Aufgaben. Offiziell war das natürlich illegal, aber normalerweise nickte die AIA das ab -wenn sie überhaupt davon erfuhren. Wer auch immer Moje hier bezahlte: Offensichtlich hatte man ein paar Yen sparen wollen und deswegen nicht die Summe gezahlt, die es gekostet hätte, mich umbringen zu lassen. Oder man hielt mich einfach für eine Gossenratte, die sich leicht verscheuchen ließ. Vielleicht hatten die Moje ja auch dafür bezahlt, mich umzubringen, und er versuchte sie gerade aufs Kreuz zu legen und deren Yen einzustreichen, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Vielleicht hatte Moje auch einfach zu viel Angst vor Dick Marin, sodass er mich nicht umbringen konnte – wer wusste das schon? Und sollte das der Fall sein: Wer konnte Moje weit genug einschüchtern, um sich überhaupt so weit gegen den Oberschnüffler zu stellen? Da kam mir ein Gedanke: Ich würde meine eigenen Schuhe fressen, wenn Moje nicht gerade eben einen Scheck von der Cyber-Kirche eingestrichen hatte! Falls dieses dämliche Arschloch glaubte, die armselige Zurschaustellungseiner Macht würde irgendwie dafür sorgen, dass ich in Zukunft weniger Angst vor Dick Marin hätte, dann stand dem Kerl wirklich eine ordentliche Lektion bevor.
Wir verschwanden wieder in dem Gewimmel der Menschenmassen, wurden zu einem weiteren Paar ungewaschener Arschlöcher in der Menge. Milton Tanner lebten als ehrbare Bürger oben in Old Chelsea, und nach allem, was ich bislang gehört hatte, verkauften sie irgendwelchen Kunstkram an reiche Nichtstuer. Viel hatte ich bislang nicht über Milton Tanner gehört – deren aktive Phase war wirklich vor meiner Zeit gewesen, und sie waren auch über vierzig Jahre alt – das machte das Ganze noch eine Spur unglaublicher. Ich kannte niemanden, der älter war als vierzig Jahre, außer Pick natürlich. Mir kam es vor, als sollten Gatz und ich jetzt gleich ein Einhorn sehen.
Das Gewimmel auf den Straßen legte sich, je weiter wir Uptown kamen, und die leerstehenden Ruinen alter Gebäude wichen heruntergekommenen alten Bauten, die längst hätten gesprengt und durch neue Häuser aus glitzerndem Metall ersetzt werden sollen – allerdings hatte man vor zwanzig Jahren sämtliche Bauvorhaben eingestellt … und seitdem nie wieder aufgegriffen. Selbst diese funkelnagelneuen Häuser aus der Wiederaufbauphase von Uptown sahen allmählich etwas heruntergewirtschaftet aus.
Der Laden hieß ›Tanner’s‹, und die Schaufensterscheiben waren groß und sauber und unbeschädigt; dahinter gab es den unglaublichsten Scheiß zu sehen, der mir jemals unter die Augen gekommen war: Kleine Figürchen, Schmuckkästchen aus Holz, all so ein Mist. Ich kam mir völlig versifft vor und scheute mich fast, den Laden zu betreten – wir hatten hier nicht einmal die Spur unserer üblichen Tarnung und waren inmitten dieses Wohlstandes völlig fehl am Platze, selbst wenn das hier erst die äußersten Ausläufer des eigentlichen Wohlstands waren. Ich blickte Gatz an, und er zuckte lediglich heftig die Achseln. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn.
»Wann hast du zum letzten Mal gegessen, Mann?«
Er schüttelte den Kopf. »Vom Essen wird mir bloß schlecht.«
Im Inneren von ›Tanner’s‹ war es warm und einladend, und überall stand völlig nutzloses Zeug herum:. Möbel, Lampen, Nippes und anderer Schnickschnack. Die verschiedensten Kunstgegenstände hingen an den Wänden und standen auf den Tischen. Es gab hier kaum Platz genug zum Treten. Ich kam mir beinahe schon riesig vor, bahnte mir meinen Weg zwischen diesem ganzen staubigen Scheiß hindurch, und ständig schaute ich
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