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Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 01 - Der elektronische Mönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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einer Pistole mein Ohr berührte, hörte ich das leise Rascheln eines Mantels und wusste genau, dass plötzlich jemand hinter mir stand. Ich bewegte kaum den Kopf, und dann steckte der Lauf der Waffe auch schon in meinem Ohr. Verdammte Scheiße, ging es mir durch den Kopf, wer kann sich denn derart lautlos bewegen!
    »Mr Cates, es ist mir ein Vergnügen«, sagte eine tiefe Stimme, die mit leichtem Akzent sprach. »Wenn Sie Ihren Freund dann bitten würden, die Brille wieder aufzusetzen? Ich habe nicht die Absicht, ihn anzuschauen.«
    Ich nickte, ohne mich zu bewegen. »Mach nur, Kev.«
    Kurz darauf war die Pistole verschwunden. »Also gut, Mr Cates, Sie dürfen sich jetzt bewegen, wenn Sie mögen.«
    Die Stimme klang sehr ruhig; eine gewisse Belustigung schwang darin mit, als mache sich der Kerl keinerlei Sorgen, ich könne ihn irgendwie angreifen. Ich ließ die Reporterin los, die wie betäubt dort stand – sie befand sich in einem Dämmerzustand, den eindeutig Gatz erzeugt hatte. Dann drehte ich mich langsam rum. In einigen Schritten Entfernung stand ein alter Mann – mindestens fünfzig Jahre alt; sein schlohweißes Haar betonte auffallend, wie pinkfarben sein Gesicht war. Der Mann war ganz in Schwarz gekleidet: Es waren Kleidungsstücke von hoher Qualität, dabei aber nicht im Mindesten protzig. Die Waffe, die er beiläufig auf Gatz und mich gerichtet hielt, schimmerte im matten Licht des Regentages: eine versilberte Roon – eine teure Sonderanfertigung.
    Er betrachtete mich von oben bis unten, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein glattrasiertes, faltiges Gesicht. »Sie wissen sich gut zu bewegen, Mr Cates«, sagte er fröhlich, »aber Sie haben die schlechte Angewohnheit, immer davon auszugehen, dass alles, was Sie nicht sehen können – beispielsweise jemand, der sich hinter Ihnen befindet –, Ihnen auch nichts anhaben kann.«
    Ich betrachtete das Gesicht meines Gegenübers; das war der älteste Mann, der jemals eine Waffe auf mich gerichtet hatte, da war ich mir ganz sicher. Aber das Gesicht kam mir nicht bekannt vor. »Ich kenne Sie nicht, oder doch?«
    Sein Lächeln wurde ein wenig breiter. »Natürlich kennen Sie mich, Mr Cates. Ich war schon als Revolverheld tätig, da waren Sie noch nicht einmal geboren. Ich bin mir sicher, dass Sie schon von mir gehört haben. Ich will gerne zugeben, dass ich mich in den letzten Jahren ziemlich bedeckt gehalten habe, aber ich würde doch gerne glauben können, dass man sich das, was ich für Irland getan habe, immer noch erzählt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wollen Sie mir etwa sagen, Sie seien Canny Orel?«
    Gatz stieß einen unerwartet vehementen Grunzlaut aus. »Kann nicht sein! Canny Orel müsste jetzt doch schon fünfzig sein oder so. Der ist doch tot.«
    Ich zögerte, weil es in gewisser Hinsicht ja durchaus Sinn ergab. Canny Orel hatte mehr als dreihundert Menschen getötet, war dabei aber nicht ein einziges Mal von den System-Bullen aufgegriffen worden. Er hatte die Dúnmharú gegründet und sich schließlich wohlhabend und bei bester Gesundheit in den Ruhestand zurückgezogen. Ich wusste, dass ich in einer ganz anderen Liga spielte als er, aber immerhin hatte auch ich schon ein recht ansehnliches Alter erreicht, und das in den Straßen von New York. Es erforderte beträchtliches Geschick, sich am helllichten Tag unbemerkt an mich heranzuschleichen.
    Und … ich wollte gerne glauben, was mir gerade durch den Kopf ging. Hier stand jemand, der alles überlebt hatte, der sein Leben genau so gelebt hatte wie ich, der von einer Notsituation in die nächste gekrochen war, der Menschen getötet hatte – dabei aber besser war als ich, denn Canny Orel hatte immer einen wirklich guten Grund gehabt, diese Menschen zu töten. Dahinter hatte immer ein richtiger Sinn gesteckt. Ihm ging es nicht nur ums Geld. Was auch immer er vor der Vereinigung getan haben mochte, beim Kampf der Iren um die Unabhängigkeit hatte Orel für die Saoirse getötet. Als dieser Freiheitskampf dann schließlich angesichts des neu gegründeten SSD gescheitert war, hatte Orel die Dúnmharú ins Leben gerufen, eine Organisation mehrerer Revolverhelden, die – auch wenn sie natürlich immer noch profitorientiert gewesen war – ausschließlich Aufträge angenommen hatte, bei denen es darum ging, ranghohe Persönlichkeiten des Systems oder SSD-Officers zu töten. Soweit ich wusste, war Orel der Einzige, der jemals SSD-Officers getötet und das auch noch überlebt hatte … von mir

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