Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
Augenblick einfach nicht in der Lage.
»Aber ich weiß es. Er hat es mir gesagt. Lange genug!«, antwortete Kev. »Du hast mich da zurückgelassen. Du hast mich im Stich gelassen. Der gute alte Avery, mein einziger Freund. Der Einzige, der sich jemals auch nur einen Furz um den armen alten, bekloppten Kev Gatz geschert hat. Du hast mich dazu gebracht, dir zu helfen, Avery. Du hast mich dazu genötigt, du hast mich geschlagen, und du hast mich wie den letzten Dreck behandelt, und ich habe das zugelassen, weil ich dachte, du seist mein Freund. Und dann habe ich zusehen müssen, wie du einfach davongestapft bist und mich in diesem Scheiß-Korridor zurückgelassen hast. Du hast mich einfach dort liegen lassen wie ein Stück Abfall.«
Nun war seine Miene wieder völlig ausdruckslos, und mit der Sonnenbrille, die er trug, konnte ich nicht sagen, ob seine kleinen Kamera-Augen immer noch auf mich gerichtet waren oder nicht. »Die sind gekommen, um mich zu holen. Nur ein paar Minuten, nachdem du mich dort zurückgelassen hast, sind sie gekommen, um mich abzuholen. Weißt du, wie lange es dauert, um einen Leichnam in einen Mönch zu verwandeln, Avery? Ich weiß es. Genau zwölf Minuten, wenn der Leichnam erst einmal auf dem OP-Tisch festgeschnallt ist. Zwölf gottverdammte Minuten. Und dann gab es keinen Zweifel mehr. Keine Kopfschmerzen. Keine Schwierigkeiten mehr, klar zu denken. Nur noch eine wunderbare Stimme, Avery, die mir erklärte, Er habe mich geschaffen und ich sei Sein Sohn. Und diese Stimme sagte mir auch, was ich tun solle. Sie hat mich gelehrt, wie ich mich selbst funktionsfähig halten kann. Sie hat mir gesagt, wie ich andere Brüder fände, die ebenfalls überlebt hätten und noch funktionstüchtig seien. Sie hat mir gesagt, wie ich mich rächen könnte.«
Ein- oder zweimal versuchte ich vergeblich zu sprechen, und endlich hatte ich wieder genug Spucke im Mund, sodass mir die Zunge nicht mehr am Gaumen klebte. »Das hier ist deine persönliche Rache? An mir?«
Kev beugte sich ein wenig vor, und ich spürte, wie sich sein Verstand sanft gegen den meinen presste. Kev sorgte dafür, dass ich mich kein bisschen bewegen konnte, als er mit seinem starren, künstlich geformten Gesicht dem meinen ganz nahe kam. »Das ist meine persönliche Rache, Avery: an allen. «
Hinter mir hörte ich Kieths raue Stimme. Er schrie irgendetwas, das ich nicht verstand, das für mich keinerlei Sinn ergab. Ich konnte mich nicht bewegen, aber ich konnte mir vorstellen, wie die Szenerie aussehen musste: Umklammert von mehreren Mönche wurde Ty aus seinem Versteck gezerrt, die Augen weit aufgerissen; seine Nase zitterte, auf seinem Schädel schimmerte ein Schweißfilm. Einige Augenblicke später hörte der Techie auf, unkontrolliert zu schreien, und rief stattdessen meinen Namen.
»Cates! Mr Cates! Was geschieht hier?! Mr Gates!«
Immer noch konnte ich meinen Kopf kein bisschen bewegen und starrte nur Kev an.
»Das ist eine Kurskorrektur, Avery«, sagte der. Seine künstliche Stimme war so moduliert, dass sie ruhig und angenehm klang, als säßen wir im Club und besprächen, welche Drinks wir nach dem Dinner nehmen sollten. Ich hatte das Gefühl, was ich hier hörte, seien überhaupt nicht Kevs Worte. »Das ist ein kontrollierter Brand. Mit mir ist viel passiert. Aber von einem der Dinge, die mir passiert sind, möchte ich dir erzählen, Avery: Ich habe endlich Klarheit gefunden. Weißt du, wie es ist, ein Mönch zu sein, Avery? Warum es so schwer ist, nie die Selbstkontrolle zu verlieren und dann dem Wahnsinn zu verfallen? Weil da die Schmerzen sind, Ave. Schmerzen, die durch den Körper pulsieren wie gottverdammtes Blut in den Adern. Ks tut einfach nur weh, die ganze Zeit.«
Kieth wurde an uns vorbeigezerrt. Der Techie schrie nicht mehr und starrte mich nur wortlos an, als die Cyborgs ihn weiterschleiften. Es gelang mir, wenigstens meine Augen weit genug zu bewegen, um ihm hinterherzuschauen.
»Aber ich habe ja Ihn«, sprach Kev weiter. »Er hilft mir dabei, Klarheit zu finden. Genau das haben wir alle getan. Wir alle haben dieses gewaltige Leid überwunden und erlangten Klarheit. Und wir haben beschlossen, es wäre schlichtweg einfacher, wenn nicht so viel Fleisch in der Welt herumliefe.«
Fleisch. Ich lehnte mich gegen Kevs ›Push‹ auf. Kieth und er, beide nur wenige Schritte von mir entfernt. Ich hatte eine Waffe in der Tasche, und jetzt stand ich hier tatenlos herum, als hätte mir jemand das Rückgrat durchtrennt.
Kev
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