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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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streckte den Arm aus und legte mir eine tote Plastik-Hand auf die Schulter.
    »Geh, Avery! Geh nach Hause oder so weit nach Hause, wie du eben kannst, und lauf durch die Gegend! Wir wollen, dass du für den Tod von so vielen Leuten unmittelbar verantwortlich bist, wie das nur möglich ist, okay? Geh nach Hause und treib dich noch ein paar Tage lang herum, und dann komme ich dich holen, und dann – dann – wirst du deine Strafe erhalten! Du meinst, die System-Bullen seien schlimm, Avery? So schlimm, dass du dein ganzes Leben verbracht hast wie eine Küchenschabe, die immer wieder vor dem entsetzlichen, furchtbaren Licht flüchtet? Hör mir gut zu, mein alter Freund: Warte einfach nur darauf, dass sie irgendwann alle verschwunden sind, und dann fang an, dir meinetwegen Sorgen zu machen!«
    Er hob die Hand und versetzte mir einen Stoß gegen die Brust – seine Bewegung war sonderbar sanft. Wieder hatte ich das Gefühl, mein alter Freund würde lediglich jemand anderen zitieren. »Geh!«, sagte er – und ich ging, ganz gegen meinen Willen.
    Als ich langsam wieder zurück zum Schweber trottete, zogen sich die Mönche zurück. Selbst der Schusswechsel, den sie sich dabei mit den Cops lieferten, wirkte sonderbar oberflächlich und beiläufig. Ein- oder zweimal jagten Kugeln dicht an mir vorbei, doch ich konnte mich nicht dazu aufraffen, mich schneller zu bewegen, nicht einmal, um mich zu ducken oder auszuweichen. Ich fluchte lautstark vor mich hin, während ich immer weiter auf den Schweber zustapfte, wie magisch angezogen. Ich betete dabei darum, die Scheiß-Cops würden mich nicht mit jemandem verwechseln und mich einfach nur deswegen ins Visier nehmen, weil es immer die sicherste Methode war. Als ich die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, kreuzte ein Mönch meinen Pfad. Er lief lautlos und mit geschmeidigen Bewegungen an mir vorbei, und als er wenige Schritte vor mir war, explodierte sein Schädel in einem grauweißen Nebel. Die Überreste des Cyborgs stürzten zu Boden. Wie eine Marionette stieg ich einfach darüber hinweg, ganz ruhig und ohne zu zögern, und verbiss mir währenddessen ein: Gottverdammte Scheiße ! nach dem anderen. Vergeblich versuchte ich, die Hände zu Fäusten zu ballen. Ich hätte genauso gut versuchen können, mit reiner Willenskraft meine Augen aus den Höhlen herausploppen zu lassen. Kev hatte mich fest im Griff.
    Als ich nur noch wenige Schritte vom Schweber entfernt war, erschien Hense in der Einstiegsluke. Der Wind zerzauste ihr Haar. Sie wirkte winzig, als könne der W i nd sie erfassen und mühelos davontragen. Ihr Blick war so ausdruckslos und ruhig wie immer. Doch ich hatte das dumpfe Gefühl, wenn ich nicht für ihr Leben absolut unerlässlich gewesen wäre, dann wäre ich jetzt schon längst tot.
    »Was zur Hölle«, fragte sie leise, »war das für eine Scheiße?« Mein Bein schmerzte, eine alles durchdringende, allgegenwärtige Qual ohne jegliches Pulsieren, gänzlich ohne Unterlass. Am liebsten hätte ich mir das Bein abgeschnitten, hätte einfach Knochen und Sehnen durchtrennt und das Ding abgerissen, um diese endlose, bodenlose Qual durch echte, anständige Schmerzen zu ersetzen – durch etwas, das man richtig spürte, das einen beinahe schon befriedigte. Etwas, worüber man sich anständig beklagen konnte. Das hier hatte ich verdient. Da ich wusste, dass mich der Colonel noch nicht einfach umbringen konnte, drängte ich mich an ihr vorbei ins Innere des Schwebers. »Wir sind alte Freunde.«
    In der Luke blieb ich stehen; mit der Hüfte streifte ich Hense, und erstaunlicherweise fühlte sich das gut an. Die Kabine des Schwebers war eine echte Leichenhalle. Fünf oder sechs von den Sturmtrupplern waren tot. Ihre TS-Uniformen flackerten nur noch, sie waren zerfetzt und blutverschmiert. Ein weiteres halbes Dutzend wurde gerade notdürftig verarztet, und zumindest bei einem davon – das verriet mir meine eigene Erfahrung – war das nichts als Zeit- und Materialverschwendung.
    »Verdammt«, sagte ich und blickte mich um, »ihr hattet doch Waffen, oder nicht?«
    Etwas von der relativen Masse eines ganzen Planeten traf mich an der Brust. Ich wurde von den Beinen gerissen und in die Luft geschleudert. Ich landete im Schlamm, und dann hockte Happling schon auf mir; sein Gesicht war fast so rot wie sein Haar. Seine Hände umklammerten meine Kehle, und so konnte ich nicht atmen. Die Augen traten mir aus den Höhlen, und ich setzte mich schwächlich zur Wehr. Es fühlte sich an, als

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