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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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um. Die Lobby war recht schlicht: Wenige Schritte vor uns lag eine dunkle Marmorwand. Davor flackerte das Holo-Abbild eines Mannes in einem altmodischen Anzug, mit einer weißen Krawatte und Frackschößen.
    »Willkommen bei Umano«, sagte der holographische Mann forsch und schien uns von oben bis unten zu begutachten. »Sie haben nicht reserviert. Ein Credit-Scan wird eingeleitet.« Kurze Zeit später hellte sich seine Miene sichtlich auf. »Willkommen, Mr Gates. Nebst … Gast.« Ich wusste nicht, ob der Empfangsheini ein echtes KI-Hologramm war oder lediglich die Übertragung eines Schauspielers, der irgendwo in einer Kabine stand. »Wir haben mehrere Reservierungen, die nicht in Anspruch genommen wurden, daher kann ich Ihnen einen Tisch anbieten. Willkommen bei Umano.«
    Hinter dem Hologramm öffnete sich eine Tür. Es sah aus, als entstehe sie geradewegs in der Steinwand selbst: Erst zeichneten sich die Umrisse der Tür als schmale Linien ab, dann wurden sie zunehmend breiter. Ein recht einfacher Trick, aber die ganze Show sah doch ziemlich beeindruckend aus. Genau so etwas machten Leute, wenn sie genug Yen hatten. Ich verabscheute es, reich zu sein. Das war anstrengend! Wenn man pleite war, dann dachte man immer, mit genügend Geld würde das Leben einfacher, aber eigentlich sorgte es nur dafür, dass man noch mehr zu tun hatte.
    Wir traten vor, und der größte holographische Mann der Welt trat tatsächlich einen Schritt zur Seite, um uns vorbeizulassen. Über den Korridor erreichten wir den riesigsten Raum, den ich jemals gesehen hatte. Das Gemurmel Hunderter Gespräche, alle gleichzeitig geführt, wurde lauter und schlug uns in Wellen entgegen. Es sah aus, als habe man jede einzelne Stützstrebe des ganzen Stockwerks entfernt, und mit einem Mal wurde mir wieder bewusst, wie gewaltig und wie alt dieses Gebäude hier doch war. Es roch … wunderbar. Es duftete nach richtigem Essen, und mir lief das Wasser im Mund zusammen.
    Zu meiner großen Überraschung trat ein echter, lebendiger Mensch auf uns zu. Die Frau hielt eine Speisekarte in der Hand, wirkte müde und ziemlich verärgert. Sie war unbestimmbaren Alters, hatte blondes Haar und blaue Augen und war – natürlich – wunderschön. Irgendein Stümper hatte ihr die Beine verlängert. Als sie auf uns zukam, wirkten ihre Bewegungen sonderbar ruckartig; es hatte etwas Insektenhaftes.
    »Willkommen bei Umano«, sagte sie, als sie uns erreicht hatte. »Ich heiße Mina und werde Sie heute Morgen bedienen. Bitte folgen Sie mir!«
    Ich kniff die Augen zusammen. Ich hatte noch nie von einem Restaurant gehört, in dem keine Droiden für sämtliche Jobs eingesetzt wurden. Aber wahrscheinlich machte genau das den Reiz hier aus. Wenn man reich genug war, konnte man es sich sogar leisten, dass echte, lebendige Menschen einem das Essen servierten.
    Während wir Mina in den Speisesaal folgten, hörte ich, wie sich in der Lobby die Fahrstuhltüren des zweiten Stockwerks öffneten, und bewegte mich sofort ein wenig schneller. Gewaltig lag der Raum vor uns, die gesamte gegenüberliegende Wand bestand nur aus Glas und Stahl, sodass man den ganzen Häuserblock auf der anderen Straßenseite einsehen konnte. Die Tische und Stühle im Raum waren einförmige weiße Würfel – die größeren Würfel dienten als Tische, die kleineren als Sitzgelegenheiten. Sie sahen aus wie das Unbequemste, das die Menschheit jemals erfunden hatte.
    Ich ging an unserer Kellnerin vorbei und griff nach Glees Arm, um sie dazu zu bewegen, vor mir zu bleiben. Ich hatte die plötzliche Stille unmittelbar bevorstehenden Ärgers bemerkt, und so liefen wir los. Wieder hustete Glee. Sie klang völlig verschleimt, als sie sich bemühte, so schnell wie möglich vorwärtszukommen. Die Glasscheibe vor uns erschien uns verführerisch nah. Ich hatte das Gefühl, die Leute rings um uns würden uns anstarren, und das Stimmengewirr hier wurde deutlich leiser.
    Wir erreichten das Fenster, krachten dagegen und pressten unsere Gesichter an die Scheibe. Dieses Gefühl, von einer beunruhigten, verängstigten Menschenmenge beobachtet zu werden, erschien mir durchaus belebend. Wie erwartet, stand unten auf der Straße ein riesiger Müllcontainer – die Restaurants ließen den Abfall immer in der Nacht abtransportieren. Ich gab Glee einen Klaps auf die Schulter, und wir schlängelten uns an der Fensterfront entlang, um die richtige Position für unsere weiche – wenngleich auch widerliche – Landung zu finden. Glee

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