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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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grinste mich an, und unwillkürlich grinste ich zurück. Mitten in einem Haufen verrottenden Import-Gemüses gelandet zu sein würde sich für alle Ohren richtig gut anhören – vorausgesetzt, dass Glee die Geschichte erzählte.
    Hinter mir hörte ich eine Männerstimme, volltönend und selbstbewusst, fast ohne jeglichen Akzent – und genau dieses Fehlen eines Akzents stellte seinerseits einen unverkennbaren Akzent dar. »Mr Avery Gates!«
    Ich hielt inne. Gerade eben noch hatte ich meinen Hintern am Fenster entlanggeschoben und mich darauf vorbereitet, nach einer der Sitzgelegenheiten zu greifen, eine Scheibe einzuschlagen und zu springen – und im nächsten Moment erschien es mir eine viel bessere Idee, einfach gar nichts zu tun, und so kam ich stockend zum Stehen. Glee lief noch einige Schritte weiter und wirbelte dann herum. Vor Aufregung wurde ihr Gesicht noch roter, und der Rotz lief ihr aus der Nase.
    »Avery«, sprach sie mich an, »was soll der Scheiß denn jetzt?«
    Unsere Blicke trafen einander, und ich strengte mich so sehr an, wie es mir nur möglich war, versuchte nach Kräften, mich wieder in Bewegung zu setzen. »Ein Scheiß-Psioniker«, keuchte ich. »Ein ›Pusher‹. Lauf weiter! Los jetzt!«
    Zwei Männer und eine Frau – eigentlich noch richtige Kinder, schweinchenrosa und quietschsauber – kamen auf mich zu, als gehöre dieser ganze Raum ihnen und es sei ihnen bloß gerade eingefallen, dass sie vergessen hatten, das Licht auszuschalten. Sie rochen wie Cops. Sie hätten Drillinge sein können: alle ganz weiß, mit dunklem Haar, ihre Gesichter wirkten in jeder Hinsicht rund – riesige runde Augen, mit denen sie ihr ganzes Leben lang aussehen würden wie Kleinkinder, ihre Schädel wie Kugeln, die auf ihren Hälsen saßen. Das Mädchen war sogar recht hübsch – bis man bemerkte, dass sie nur eine weibliche Version der beiden Jungs war. Ich wollte mich herumdrehen und nach Glee schauen, doch ich konnte es nicht. Das Stimmengewirr wurde wieder lauter. Es klang jetzt regelrecht drängend, und ich sah, wie einige Leute einfach mitten ins Nichts hineinsprachen – vermutlich nutzten sie implantierte Kom-Einheiten.
    »Avery Gates, nehme ich an?«, sagte der junge Bursche in der Mitte, öffnete ostentativ die Jacke und zog eine lederne Brieftasche heraus. Nachdem er sie aufgeklappt hatte, hielt er sie mir vors Gesicht und zog dabei eine Miene, als tue er mir einen Riesengefallen. Ein regen bogen buntes Hologramm wies ihn als Richard Shockley aus, Assistent von Galvin Ruberto, dem Unterstaatssekretär des Nordamerikanischen Ressorts. Die Unterstaatssekretäre waren jene zwielichtigen Männer und Frauen, die den ganzen Laden am Laufen hielten, seit der Einheitsrat in digitale Senilität verfallen war.
    Ich blickte erst Shockleys Brieftasche an, dann sein Gesicht, doch ich schwieg. Er klappte das Lederetui wieder zusammen; das Hologramm verlosch.
    »Mr Gates«, sagte er. »Dr. Daniel Terries, der Leiter des New-York-Ressorts der Gesundheitsbehörde, hat mich hierher gebeten, um Sie für ein Gespräch nach Uptown zu holen.« Er spreizte die Hände. »Wirklich, es geht nur um ein Gespräch.«
    »Es tut mir leid, aber nein«, sagte ich und bluffte aus reiner Gewohnheit. »Mein Sinn für bürgerliche Pflichten lässt in letzter Zeit ein wenig zu wünschen übrig. Ich muss mich um geschäftliche Dinge kümmern.«
    Der Bursche wandte sich ab und lächelte seine beiden Gefährten an, die seinen Blick jedoch nicht erwiderten, sondern weiterhin unverwandt zu mir schauten. Die starren Augen des Mädchens irritierten mich, und ich wünschte mir inbrünstig, sie möge endlich aufhören, mich anzustarren.
    Hinter mir hörte ich plötzlich einen schwächlichen Grunzlaut, und ruckartig hob Shockley die Hand. Auf einmal schwebte Glees Messer mitten in der Luft, genau zwischen uns, als gelte für diese Waffe nicht mehr das Gesetz der Schwerkraft. Ein gottverdammter Telekinetiker!, schoss es mir durch den Kopf. Kurz zuckte sein Blick über meine Schulter hinweg, und mein Herz geriet ins Schlingern. Einen Moment lang starrte er nur geradeaus, dann vollführte er mit der Hand eine träge, beinahe beiläufige Bewegung. Ich hörte Glee schreien, dann folgte das Klirren berstenden Glases. Ich konzentrierte mich, hoffte darauf, ihren sanften Aufprall im Müll zu hören, doch dem war nicht so.
    Im ganzen Restaurant herrschte auf einmal völlige Stille. Dumpf und wie aus weiter Ferne hörte ich, wie das Gebäude-Interface

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