Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
plötzlich, den Blick immer noch fest auf mich gerichtet. »Er möchte Ihnen lediglich ein paar Fragen stellen. Wir wissen Ihre Hilfsbereitschaft durchaus zu schätzen.«
Ich lächelte mild. Wenn Shockley, Mitarbeiter der Zivilverwaltung, meinte, hier Spielchen spielen zu müssen, fein! Die Zivilregierung und die Cops gingen sich gegenseitig immer weiter an die Gurgel, schon seit den Mönchs-Ausschreitungen – die ich ausgelöst hatte, als ich Dennis Squalor getötet und damit die Cyber-Kirche zerschlagen hatte. Beide Gruppen kämpften nun um die Oberherrschaft. Trotzdem zweifelte ich nicht daran, dass dieser kleine Scheißer hier es für seine Pflicht halten würde, mich an die System-Polizei auszuliefern, sobald ich mit diesem Dr. Terries mein kleines Gespräch geführt hätte – oder was auch immer der Kerl von mir wollte. Und wer auch immer dieser Dr. Terries überhaupt war. Ich hatte keinerlei Zweifel, dass ich, wenn ich nicht bald aus diesem Schweber herauskäme, und das verdammt bald, ein toter Mann wäre …
Ich blickte an den drei Gestalten vorbei ins Cockpit. Dort konnte ich den Piloten sehen – bloß ein paar Schultern in einer blauen Jacke. Ich richtete den Blick wieder auf die drei Psioniker, schlug erneut die Beine übereinander, legte eine Hand auf meinen rissigen abgetragenen Stiefel – Daumen und Zeigefinger ruhten genau über dem versteckten Messer. Ich konzentrierte mich darauf, meine Atmung und meinen Herzschlag zu beruhigen.
»Sie könnten mir sagen, was dieser Dr. Terries von mir will, und durch die damit hergestellte Vertrautheit wären wir alle sofort viel enger miteinander verbunden«, schlug ich vor.
Shockley schüttelte den Kopf. »Sie sind sehr misstrauisch, Mr Cates.«
»Das letzte Mal, dass man mich gegen meinen Willen in irgendeinen Schweber geschafft hat, ist es für mich nicht gerade gut gelaufen, Meister.«
Shockley lächelte. Es war ein kurzes Zucken der Mundwinkel und verriet genau das Gegenteil von Belustigung. »Mr Cates, kennen Sie eine Frau namens …«, er schloss die Augen, »… Candida Murrow?«
Auch ich kniff nun die Augen zusammen und schaute mein Gegenüber nachdenklich an. Ich kannte Candy. Ich sah sie jedes Mal bei ›Pick’s‹. Doch ich schwieg. Die goldene Regel für den Umgang mit Cops – oder mit irgendwelchen Scheiß-Bürokraten – lautete nun einmal: Weichte Frage auch immer die einem stellen, man antwortet nie. Die einzige Frage, die mich selbst umtrieb, war nach wie vor, welcher Dreckskerl mich verraten hatte. Es war völlig unmöglich, dass diese Scheiß-Drillinge hier mich einfach nur durch mustergültige Recherchen und mit Hilfe von Kontaktleuten auf der Straße ausfindig gemacht hatten. Irgendjemand hatte mich gezielt reingeritten.
Ich widerstand dem Bedürfnis, die Hand zu heben und die allmählich verheilende Wunde an meinem Hals zu betasten. Shockley öffnete die Augen. »Ms Murrow – zweifellos eine aufrechte, ehrliche Bürgerin – wurde gestern tot aufgefunden.«
Ich blinzelte, doch ansonsten reagierte ich nicht. Ich hatte davon noch gar nichts gehört. Eine große, glückliche Kenianerin, die Spaß an ihrer Arbeit hatte. Ihr Englisch war bestenfalls rudimentär, doch es reichte aus. Oder besser: Es hatte ausgereicht.
»Sie ist auf sehr … ungewöhnliche Art und Weise gestorben.
Sieht aus, als wäre es ansteckend – und äußerst unschön. Dr. Terries ist der Leiter der Gesundheitsbehörde, und er macht sich ernstlich Sorgen. Es ist bekannt, dass sie mit Ihnen zusammengearbeitet hat, Mr Gates. Sie leiten eine … Organisation.« Er sprach es aus, als sorge dieses Wort für einen sonderbaren Geschmack in seinem Mund. »Dr. Terries ist besorgt, weitere Mitglieder Ihrer Organisation könnten in ähnlicher Weise … infiziert sein.«
Wieder schenkte ich ihm dieses milde Lächeln. »Ich habe noch nie von diesem Dr. Terries gehört. Ich habe keinen von diesen Scheiß-MediChips, Mr Shockley.«
Er nickte. »Ja. Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ms Murrow, Mr Gates? Dr. Terries macht sich vor allem hinsichtlich von Ms Murrows Kontakten über die letzten Tage hinweg Sorgen.«
Ich zappelte ein wenig hin und her; sie sollten glauben, ich sei beunruhigt und nervös. Meine Fingerspitzen berührten den obersten Teil des Klingengriffs, und ich hielt inne, nahm mir Zeit. Ich hatte immer noch ein paar Minuten, bis wir unser Ziel erreichen würden. Ich würde auch nur eine einzige Chance haben, denn sobald ich mich bewegte, würden die
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