Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
Captain Happling herum. »Und der SSD nimmt Bürger in jeder Hinsicht ernst.«
Aus Happlings Hosentaschen war das gleichzeitige Knacken von zehn Fingerknöcheln zu hören. »Boss, Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass Marin sämtliche Akten über den gelöscht hat. Er hat ihn vor zehn Jahren aus der Datenbank getilgt. Warum? Ich habe keine Ahnung. Und Sie auch nicht. Aber da Marin dahintersteckt, kann das doch einfach nur Scheiße sein - worum auch immer es damals gegangen ist. Und seitdem ist dieser Dreckskerl da bloß vorsichtig gewesen. Jeder hier im Haus kann es kaum erwarten, ihm eine Kugel zu verpassen. Und Sie verlangen von mir, ihn zu befreien, und dann soll ich auch noch zulassen, dass er meine Waffe behält!«
Happling zitterte vor Zorn, sein ganzer Körper bebte. Rasch trat Marko einen Schritt zurück, und ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich konnte Happlings Gesicht zwar nicht sehen. Aber ich hatte schon öfters erlebt, dass Cops einfach ausgerastet waren, und ich wusste, dass das nie ein schöner Anblick war.
Jetzt starrte Hense unverwandt Happling an. »Das war ein Befehl, Captain«, sagte sie ruhig. »Und ich sehe nicht, dass Sie ihn befolgen.«
Er zuckte zusammen. Als er dann zu mir herumwirbelte, richtete ich reflexartig die Waffe auf ihn. Die unbändige Gewalttätigkeit seiner Körpersprache ließ sämtliche meiner Alarmglocken schrillen. Ruckartig ließ der Captain den Arm vorschnellen, und wieder hatte er plötzlich diese Klinge in der Hand. Mit vier schnellen Schritten kam er zu mir, und die ganze Zeit über richtete ich die Waffe auf ihn, genau auf sein Gesicht. Schließlich stand er vor mir, riesenhaft und bedrohlich, das Gesicht tiefrot, die Haut rings um seine Glubschaugen fast widernatürlich gestrafft. Als er sich bewegte, hätte ich beinahe abgedrückt, so hastig war er. Doch er ließ nur die Klinge durch die Kabel sausen, mit denen meine Fußknöchel an die Stuhlbeine gefesselt waren. Genau wie an meinen Handgelenken hatte ich auch an den Knöcheln tiefe Schnittwunden. Blut sickerte in meine Schuhe.
Der Cop richtete sich wieder auf und deutete mit dem Messer genau auf meine Nase. »Mach irgendetwas, das mir nicht gefällt, Cates, und ich weide dich aus!«
»Das ist nicht fair«, sagte ich, während er sich abwandte. »Ich kann mir einfach nichts vorstellen, was Ihnen gefallen würde.« Kurz zögerte er, dann trat er wieder an die gleiche Stelle wie vorhin und ließ das Messer in seinem Ärmel verschwinden. Er riss sich zusammen und zog ein Päckchen billiger Zigaretten hervor, schüttelte sich gleich zwei davon auf die Pranke und zerdrückte sie zwischen den Handflächen.
»Also gut«, meinte Hense, als ich mich versuchsweise auf den Boden hockte. »Jetzt, wo wir die besten Freunde geworden sind, sollten wir ein paar Dinge klarstellen. Ich habe hier das Kommando. Mr Marko, ab sofort gehören Sie zu meinem Einsatzteam! Sollten Sie damit ein Problem haben, reichen Sie bei der AIA einen Bericht ein und halten Sie sich an den offiziellen Dienstweg! In der Zwischenzeit aber tun Sie, was ich Ihnen sage! Captain Happling, von Ihnen will ich keinerlei Scheiß erleben.«
»Nein, Sir«, erwiderte er und klang sehr müde.
Die Frau drehte sich zu mir um, als ich mich langsam aufrichtete. Ich war noch ganz wackelig auf den Beinen, mein Schädel hämmerte. »Mr Cates, wohin gehen wir?«
Ich schüttelte den Kopf. »Eines nach dem anderen, Colonel«, antwortete ich. »Sorgen Sie dafür, dass wir loskönnen, und ich sage Ihnen, wohin es geht, sobald wir in der Luft sind!«
»Mr Cates, wie Sie gerade selbst angemerkt haben, werden wir Sie wahrscheinlich nicht töten. Anscheinend sind Sie für unser Überleben unerlässlich.«
Ich zwang meine Gesichtsmuskeln zu einem Grinsen und versuchte so nonchalant und unbekümmert aufzutreten, wie das jemandem nur möglich war, den man grün und blau geschlagen hatte, der mit seinem eigenen Blut verkrustet war und der sich fragte, ob er sich wohl eine Gehirnerschütterung zugezogen hätte. »Und ich möchte auch nicht wie ein Gepäckstück durch die Gegend geschleppt werden, Colonel.«
»Und wenn ich Ihnen mein Wort gebe?«
Unter Mühen gelang es mir, mein Lächeln noch etwas breiter werden zu lassen. »Ich hab da mal jemanden gekannt, so ’n kleinen Hehler aus der Bronx, der hat jahrelang Informationen an ein paar System-Bullen verscherbelt. Die haben ihm ihr Wort gegeben, man werde berücksichtigen, dass er Ihnen geholfen habe. Und dann, eines
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