Something like love
die Augen zu. Im Dunkeln betrachte ich sein Profil, um es mir einzuprägen. Die Form seiner Nase. Der Schwung seiner Lippen.
Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich schätze, man kommt irgendwann an einen Punkt, von dem aus man nicht mehr dagegen kämpfen kann. Man kann einfach nicht mehr. Weil dir die Kontrolle entglitten ist. Und du sie nie mehr wiederfindest.
Er öffnet die Augen. Wir blicken uns an. Er berührt meine Wange und streicht mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht.
»Wir können das nicht tun«, sage ich.
»Warum nicht?«
»Erin ist meine beste Freundin.«
»Also will sie, dass du glücklich bist, stimmt’s?«
»Ja schon, aber…«
»Lani«, flüstert er. »Wir gehören zusammen.«
Und dann küsst er mich.
Ich habe keine Zeit, darüber nachzudenken.
Ich kann es nicht ungeschehen machen.
Unsere Lippen bleiben aufeinandergepresst, als wollte keiner von uns der Erste sein, der loslässt.
Wir bleiben Hand in Hand auf der Decke liegen. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist. Das ist die aufwühlendste Nacht meines Lebens. Ich will kein schlechtes Gewissen bekommen. Ich will einfach nur erleben, wie sich das hier und jetzt anfühlt, weil es nie wieder so sein wird wie in diesem Moment.
Aber dann fällt mir plötzlich ein, dass ich meiner Mom gesagt habe, ich wäre um elf zu Hause.
»Wie spät ist es?«, flüstere ich.
Jason lässt meine Hand los. Er drückt auf seine Uhr. Das Zifferblatt leuchtet auf.
»Boah«, sagt er.
»Was?«
»Das kann nicht sein.«
»Was?«
»Um wie viel Uhr wolltest du zu Hause sein?«
Mir rutscht das Herz in die Hose. »Um elf. Warum?«
»Es ist Viertel nach eins.«
»Quatsch.«
Er hält mir die Uhr hin.
Meine Mom wird vollkommen durchdrehen.
»Ruf deine Mom an.« Jason holt sein Handy hervor. »Frag, ob du noch bleiben darfst.«
»Das erlaubt sie auf keinen Fall.«
»Sie braucht sich keine Sorgen um dich zu machen. Kein Mensch ist hier.«
»Genau. Aber wenn plötzlich ein wahnsinniger Messerstecher hinter uns auftaucht, macht er uns platt.«
»Das wird nicht passieren.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es einfach. Und wenn doch, was aber nicht der Fall sein wird, dann beschütz ich dich.«
»Vor einem wahnsinnigen Messerstecher?«
»Vor jedem.«
Ich will überhaupt nicht weg. Am liebsten möchte ich für immer hierbleiben. Aber wenn ich jetzt nicht meine Mom anrufe und nach Hause gehe, dann bringt sie mich um. Wenn der wahnsinnige Messerstecher ihr nicht zuvorkommt.
»Ich muss gehen«, sage ich. »Fährst du mich?«
»Na klar.«
Jason sieht genauso aus, wie ich mich fühle. Na ja, vielleicht nicht ganz. Wir sind beide enttäuscht, dass wir gehen müssen. Aber bestimmt habe nur ich ein schlechtes Gewissen.
26
»Ein anderes Wort für Kinkerlitzchen oder Krimskrams mit vierzehn Buchstaben?«, will Dad wissen. Er liebt es, mit einem neuen Kreuzworträtselheft anzufangen, und beim allerersten Rätsel lässt er mich oft mitraten.
»Flitterkram?«, schlage ich vor.
»Das sind nur elf Buchstaben.«
»Hmm.« Ich zerre an einem besonders störrischen Maiskolben herum. Die Blätter lassen sich einfach nicht abziehen. Maiskolben zu schälen, macht immer mehr Dreck, als man denkt, deswegen sitze ich auf der Verandatreppe mit einem Eimer zwischen den Beinen. Dad sitzt auf der Schaukel und ist fest entschlossen, das Rätsel noch vor dem Abendessen zu lösen. »Nippes kann es ja wohl nicht sein.«
»Schnickschnack«, platzt es aus ihm heraus.
»Hey, super!«
»Danke, danke.«
So was mache ich gern mit Dad zusammen. Wir sprechen eigentlich nicht viel miteinander, deswegen sind mir andere Formen der Kommunikation umso lieber. Ich glaube, als ich klein war, haben wir mehr miteinander geredet. Das heißt, ich habe hauptsächlich geplappert und er hat zugehört. Manchmal hat Dad mich auch mit zur Arbeit genommen. Ich fand es toll, ihm beim Bau von Treibhäusern zuzusehen. Der beste Teil war immer, wenn es gerade fertig war, bevor die Pflanzen hineinkamen. Ich erinnere mich genau, wie ich mitten in all dem Glas und dem Licht stand, ein Gefühl, als wäre es mein eigenes verwunschenes Königreich. Und wenn dann die Pflanzen hereingebracht wurden, fühlte ich eine tiefe Verbundenheit zwischen uns. Diese frühen Erfahrungen haben meine Liebe zu allem, was grün ist, geweckt.
Ich atme tief ein und schnuppere. »Dieser Mais riecht so gut!«
»Hmm.« Dad grübelt über dem nächsten Wort.
»Ich sterbe vor Hunger!«
»Du hast aber echt gute
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