Something like love
wäre es mir egal, dass alle hier über mich reden. Vielleicht sieht es ja schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist. Vielleicht sind es ja nur die Leute vom Goldenen Kreis, die mich hassen. Und nicht die ganze Schule. Aber das allein sind schon viele. Und so viele andere Leute halten mich ebenfalls für ein verräterisches Miststück, dass es sich anfühlt, als würde mich die ganze Schule hassen.
Alle starren mich an.
Ich schüttle meine Saftflasche.
Die Leute starren weiter.
Der Verschluss lässt sich nicht öffnen.
Es ist echt schwer, nicht zu heulen.
Plötzlich geht der Verschluss doch auf. Ich zerkratze mir die Hand an der Tischkante. Ich blute. Ich könnte zur Krankenschwester gehen. Aber dann müsste ich aus der Cafeteria rausgehen und würde noch mehr angestarrt. Das könnte ich nicht ertragen. Deshalb drücke ich eine Serviette auf die Wunde und warte, bis es nicht mehr blutet.
Niemand setzt sich zu mir.
Nachdem ich lange Zeit auf den Tisch gestarrt habe, versuche ich, die Tüte Studentenfutter zu öffnen. Sie lässt sich nicht aufreißen. Mir steigen Tränen in die Augen. Ich versuche, mich zu beruhigen, mir zu sagen, dass alles gut werden wird. Aber ich kann nur denken: Mach dir doch nichts vor!
Ich drücke meinen Turmalin. Es nützt nichts. Ein ganzer Eimer voller Turmaline könnte mich nicht beruhigen.
Ich sehe zu Jason hinüber. Er sieht schnell weg. Jetzt meidet er jeden Augenkontakt mit mir.
Endlich geht die Tüte auf. Ich probiere eine Cashewnuss. Sie schmeckt wie Pappe.
Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mich so einsam gefühlt.
Es ist tragisch. Wir alle sitzen an unterschiedlichen Tischen. Und hassen uns gegenseitig. Ich wünschte, ich wüsste, wie man das ändern könnte.
Jason steht auf.
Mein Puls rast. Kommt er zu mir rüber?
Jason schlurft mit seinem Tablett zu den Mülleimern. Ich sehe zu, wie er seine Limodose zusammendrückt. Wie er sorgfältig den Müll von recycelbaren Dingen trennt und alles in die entsprechenden Behälter steckt. Irgendwie sieht es traurig aus, wie er da so langsam vor sich hin arbeitet, es sieht aus, als wäre er total erschöpft. Ganz offensichtlich ist es ihm zur Routine geworden. Als müsse er nicht mal mehr drüber nachdenken.
Er hat sich geändert. Meinetwegen.
Als er fertig ist, dreht Jason sich um und sieht, wie ich ihn beobachte. Trotzdem kommt er nicht auf mich zu, sondern geht zu seinem Tisch zurück.
Stattdessen kommt Bianca und sagt: »Erin lässt dir ausrichten, dass sie ihre rote Tasche zurückhaben will.«
»Was?«
»Du weißt schon – ihre rote Tasche. Die sie dir vor ungefähr zwei Monaten geliehen hat und die du ihr nie zurückgegeben hast.«
Macht die Witze? Hat Erin sie allen Ernstes zu mir geschickt, als wäre das hier ein Streit zwischen Sechstklässlern? Wie erbärmlich ist das denn?
»Meinst du das ernst?«, frage ich.
»Ähm… ja.«
»Na, dann kannst du Erin ausrichten, dass sie tonnenweise Zeug von mir geliehen hat und dass ich das zuerst zurückhaben will.«
»Ich richte es ihr aus. Oh und nur damit du es weißt: Endlich rücken die Leute damit raus, was sie wirklich von dir denken.«
»Welche Leute?«
»Jeder. Oder um es genau zu sagen, jeder, den du für nicht gut genug befunden hast, um mit ihm befreundet zu sein.«
Wie kann man denn darüber immer noch beleidigt sein? Es war ja nicht so, als hätte ich offiziell verkündet, dass mir der gesamte Goldene Kreis stinkt. Ich habe mich nur so ganz allmählich von ihnen entfernt. Bianca tut so, als sei es verboten, sich von jemandem zu distanzieren. Was nun wirklich komplett bescheuert ist.
»Sie sind echt sauer auf dich«, fügt Bianca hinzu.
»Und was soll ich deiner Meinung nach dagegen tun?«
»Nichts. Ich dachte nur, du solltest das wissen.«
»Vielen Dank dafür.«
»Ich meine, sie sind schon eine ganze Zeit lang sauer auf dich, aber jetzt natürlich erst recht. Wir haben alle angenommen, dass du und Erin BFFL für immer sein werdet, deshalb haben wir bis jetzt den Mund gehalten, was dich betrifft. Aber jetzt ist es Zeit, dass sie die Wahrheit erfährt.«
»Für immer ist redundant.«
»Hä?«
»Nach BFFL muss man nicht für immer sagen. Das FL heißt ja schon fürs Leben.«
Bianca dreht sich auf dem Absatz um und stolziert davon.
Ich habe nie verstanden, warum Erin immer noch mit Bianca befreundet ist, aber jetzt wird es mir klar. Sie sind schon so lange befreundet, dass es eben immer so weitergeht. Obwohl Bianca sich zu einer so
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