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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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engen Hof gefährlich war, dann mit heulendem Motor den Feldweg entlang, so daß loser Kies von den Hinterrädern aufsprang.
    „Virginia !“
    Durch ihre Tränen sah sie ihn im Rückspiegel weit hinter ihr stehen. Sie drückte den Fuß aufs Gaspedal und bog in die Hauptstraße ein, ohne abzuwarten, ob etwas käme. Zum Glück kam nichts, und sie fuhr den ganzen Weg nach Porthkerris, in die Stadt hinein und auf der anderen Seite hinaus, ohne im Tempo nachzugeben, bis sie den Wagen vor der Anwaltskanzlei im Parkverbot stehenließ und hineinrannte.
    Diesmal läutete sie nicht, sie wartete auch nicht auf Miss Leddra, sondern stürmte durch das Vorzimmer und riß die Tür zu Mr. Williams' Büro auf. Mr. Williams wurde im Gespräch mit einer autokratischen alten Dame aus Truro unterbrochen, die zum siebtenmal ihr Testament änderte.
    Sowohl Mr. Williams als auch die alte Dame verstummten vor Erstaunen und starrten Virginia mit offenen Mündern an.
    Mr. Williams, der sich als erster faßte, erhob sich mühsam. „Mrs. Keile!“ Doch bevor er ein weiteres Wort sagen konnte, hatte Virginia die Schüssel von Bosithik auf seinen Schreibtisch geworfen und gesagt: „Ich nehme es. Ich nehme es auf der Stelle. Und sobald meine Kinder hier sind, ziehe ich ein!“
     

4
     
     
     
     
     
     
    „ E ntschuldige, Virginia“, sagte Alice, „aber ich glaube, du machst einen schrecklichen Fehler. Mehr noch, es ist der klassische Fehler vieler Menschen, wenn sie plötzlich allein auf der Welt sind. Du handelst impulsiv, du hast dir das alles nicht richtig überlegt...“
    „O doch, ich habe es mir ganz genau überlegt.“
    „Aber die Kinder haben es gut bei Nanny und deiner Schwiegermutter, das weißt du. Sie führen dort einfach ihr Leben fort, wie sie es in Kirkton gewohnt waren, und das hilft ihnen, sich geborgen zu fühlen. Ihr Vater ist tot, und nichts wird für sie jemals wieder sein wie vorher. Aber wenn Veränderungen sein müssen, laß sie wenigstens langsam geschehen, nach und nach, laß Cara und Nicholas Zeit, sich daran zu gewöhnen.“
    „Es sind meine Kinder.“
    „Aber du hast dich nie um sie gekümmert. Du hast sie nie für dich allein gehabt, außer die paar Male, als Nanny sich zu einem Urlaub überreden ließ. Sie werden eine Strapaze für dich sein, und ehrlich gesagt, Virginia, ich glaube nicht, daß du dem im Augenblick körperlich gewachsen bist. Schließlich bist du hierhergekommen, um dich von einer abscheulichen Grippe zu erholen und ganz allgemein ein bißchen Ruhe und Frieden zu haben, Zeit zu finden, über das Schreckliche hinwegzukommen. Das darfst du dir nicht zerstören. Du brauchst alle deine Kräfte, wenn du demnächst nach Kirkton zurückgehst und lernen mußt, ohne Anthony zu leben.“
    „Ich geh nicht nach Kirkton. Ich geh nach Bosithick. Ich habe schon die Miete für die erste Woche bezahlt.“
    Alice verlor die Geduld, und ihr Gesichtsausdruck wurde zornig.
    „Aber das ist lächerlich! Schau, wenn du deine Kinder unbedingt hierhaben willst, dann hol sie meinetwegen, sie können hier wohnen, aber laß Nanny um Himmels willen mitkommen.“
    Gestern noch hätte diese Idee verlockend sein können.
    Doch heute zog Virginia sie nicht mal in Erwägung.
    „Ich bin fest entschlossen.“
    „Aber warum hast du mir nichts gesagt? Warum hast du es nicht mit mir besprochen?“
    „Ich weiß nicht. Ich mußte es einfach allein entscheiden.“
    „Und wo ist Bosithick?“
    „An der Straße nach Lanyon... man kann es von der Straße aus nicht sehen, aber es hat einen Turm...“
    „Das Haus, wo Aubrey Crane gewohnt hat? Aber Virginia, das ist schauderhaft. Nichts als Heide, Wind und Klippen. Da bist du vollkommen im Abseits!“
    Virginia versuchte, einen Scherz daraus zu machen. „Du mußt mich besuchen kommen. Um dich zu überzeugen, daß die Kinder und ich uns nicht langsam gegenseitig zum Wahnsinn treiben.“
    Doch Alice lachte nicht, und als Virginia ihre gerunzelte Stirn und den mißbilligenden Zug um ihren Mund sah, mußte sie zu ihrer Verwunderung plötzlich an ihre Mutter denken. Es war, als sei Alice nicht mehr Virginias ältere Freundin, sondern als sei sie eine Generation zurückgeschwenkt und sage der jungen Virginia aus dieser erhabenen Höhe, daß sie ein Dummkopf sei. Aber vielleicht war das gar nicht so erstaunlich. Alice hatte Rowena Parsons lange vor Virginias Geburt gekannt, und da sie selbst keine Kinder hatte, mit denen sie fertig werden mußte, hatten ihr Verhalten und ihre

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