Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
ein Haus angesehen, aber es war unmöglich.“
    „Wo?“
    „Hier, in Lanyon.“ Er wartete. „Es heißt Bosithick“, fügte sie unwillig hinzu.
    „Bosithick!“ Er schien begeistert. „Aber das ist ein wundervolles Haus.“
    „Es ist ein schreckliches Haus.“
    „Schrecklich?“ Er traute seinen Ohren nicht. „Du meinst das Cottage auf dem Hügel, wo Aubrey Crane gewohnt hat? Das die Kernows von einer alten Tante geerbt haben?“
    „Genau, und es ist unheimlich und völlig unmöglich.“
    „Was heißt unheimlich? Spukt's da drin?“
    „Ich weiß nicht. Eben unheimlich.“
    „Wenn der Geist von Aubrey Crane dort herumspukt, könnte es ganz amüsant für dich werden. Meine Mutter hat ihn gekannt, sie sagte, er war ein lieber Mensch. Und er hatte Kinder sehr gern“, fügte er hinzu, was Virginia als klassisches Beispiel für einen Trugschluß erschien.
    „Ist mir egal, was er für ein Mensch war, ich nehme das Haus nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Darum.“
    „Nenn mir drei gute Gründe...“
    Virginia war mit ihrer Geduld am Ende. „Ach, um Himmels willen ...“ Sie wollte aufstehen, doch ehe sie ganz auf den Beinen war, packte Eustace mit für einen so großen Mann unerwarteter Geschwindigkeit ihr Handgelenk und zog sie wieder ins Gras. Sie sah ihm wütend in die Augen. Sie waren kalt wie blaue Steine.
    „Drei gute Gründe“, wiederholte er.
    Sie sah auf seine Hand an ihrem Arm hinunter. Er machte keine Anstalten loszulassen. Sie sagte: „Es hat keinen Kühlschrank.“
    „Ich leih dir einen Fliegenschrank. Grund Nummer zwei?“
    „Hab ich dir schon gesagt. Es hat eine gespenstische Atmosphäre. Die Kinder haben nie in so einem Haus gelebt. Sie würden sich ängstigen.“
    „Nur wenn sie so ein Spatzenhirn haben wie ihre Mutter. Jetzt Nummer drei.“
    Verzweifelt suchte sie nach einem guten, unumstößlichen Grund, der Eustace von ihrem namenlosen Horror vor dem merkwüdigen kleinen Haus auf dem Hügel überzeugen würde. Aber alles was sie vorbrachte, war eine Reihe kleinmütiger Ausreden, jede lahmer als die vorherige. „Es ist zu klein, und es ist schmutzig, und wo soll ich die Kindersachen waschen, und ich weiß nicht mal, ob es ein Bügeleisen gibt oder einen Rasenmäher. Und es hat keinen Garten, bloß eine winzige Wiese zum Wäscheaufhängen, und die Möbel drinnen sind so deprimierend und...“
    Er unterbrach sie. „Das sind keine Gründe, Virginia, das weißt du. Es sind bloß lauter faule Ausreden.“
    „Faule Ausreden wofür?“
    „Damit es keine Auseinandersetzung mit deiner Schwiegermutter oder der alten Nanny oder beiden gibt. Damit du keinen Aufstand machen und dich durchsetzen mußt, um deine eigenen Kinder so aufzuziehen, wie du es willst.“
    Wut auf ihn sammelte sich in ihrer Kehle, ein Klumpen, der sie sprachlos machte. Sie fühlte das Blut in ihre Wangen schießen, sie fing an zu zittern, doch obwohl er dies alles gesehen haben mußte, fuhr er ruhig fort, all die schrecklichen Dinge auszusprechen, die eine Stimme in ihrem Hinterkopf ihr seit Jahren sagte; nur hatte sie nie die Courage besessen, auf sie zu achten.
    „Ich glaube, du scherst dich nicht die Bohne um deine Kinder. Du willst dich nicht mit ihnen abgeben. Immer hat jemand anders die Wäsche gewaschen und gebügelt, und du willst jetzt nicht damit anfangen. Du bist viel zu träge, um mit ihnen Picknicks zu veranstalten und ihnen vorzulesen und sie ins Bett zu bringen. Es hat überhaupt nichts mit Bosithick zu tun. Egal, welches Haus du fändest, du würdest immer etwas auszusetzen haben. Jede Ausrede wäre dir recht, solange du dir nur nicht eingestehen mußt, daß es dir einfach zuviel Mühe macht, dich selbst um deine Kinder zu kümmern.“
    Noch bevor er den Satz beendet hatte, war sie aufgesprungen und hatte ihm ihren Arm entrissen.
    „Das ist nicht wahr! Nichts davon ist wahr! Ich will sie bei mir haben! Ich habe sie hierhaben wollen, seit ich hierhergekommen bin!“
    „Dann hol sie her, du kleiner Dummkopf ...“ Er war ebenfalls aufgestanden, und sie schrien sich aus unmittelbarer Nähe an, als müßten sie eine ganze Wüste mit ihrer Stimme überwinden.
    „Das tu ich ja: Genau das habe ich vor.“
    „Das glaub ich erst, wenn's passiert ist.“
    Sie machte kehrt und floh und war in ihrem Wagen, ehe ihr einfiel, daß ihre Handtasche noch auf dem Küchentisch lag. Tränenüberströmt rannte sie aus dem Auto und ins Haus, bevor Eustace sie einholte. Dann zurück zum Wagen, wütend gewendet, was in dem

Weitere Kostenlose Bücher