Sommer am Meer
enthielt ein Dutzend schillernde Makrelen.
Nicholas wollte gerade sagen: „Ich mag keinen Fisch“, aber er fing Eustace' Blick auf und hielt den Mund.
„Ich dachte, er könnte vielleicht ein paar haben“, erklärte Eustace. „Er wirft meistens eine Angel aus, wenn er zu den Körben rausfährt.“ Er lächelte Cara an. „Hast du schon mal Makrelen gegessen?“
„Glaub ich nicht“, sagte Cara, „aber daß er dir das Netz gegeben hat!“ Das schien ihr viel erstaunlicher als die geschenkten Makrelen. „Will er es nicht wiederhaben?“
„Davon hat er nichts gesagt.“
„Nehmen wir die Fische mit nach Bosithick?“
„Wozu? Nein, wir braten sie hier... kommt, ihr könnt mir helfen.“
Er klaubte sechs oder sieben große Steine auf, rund und glatt, legte sie zu einem Kreis, und mit Streichhölzern, einem alten zerknüllten Zigarettenpäckchen und ein paar Treibholzspänen fachte er ein Feuerchen an, schickte die Kinder weiteres Holz sammeln, und bald hatten sie ein richtiges loderndes Feuer. Und als die Asche grau war und beim Hineinblasen rot aufglühte, legte er die Fische in einer Reihe hinein. Es gab ein Zischen und Knistern, und bald darauf stieg köstlicher Duft auf.
„Aber wir haben keine Messer und Gabeln“, sagte Cara.
„Finger gibt es schon viel länger als Gabeln.“
„Aber es ist heiß.“
Cara und Nicholas hockten sich ans Feuer, Kopf an Kopf, nackt bis auf ihre Badehosen und eine dünne Sandschicht. Sie sahen wie Wilde aus und vollkommen zufrieden.
Cara beobachtete Eustace' geschickte Hände. „Hast du das schon mal gemacht?“
„Was, einen Stock geschnitzt?“
„Nein, Feuer gemacht und Fische gebraten.“
„Schon oft. Makrelen kann man nur so zubereiten und essen, frisch aus dem Meer.“
„Hast du das auch gemacht, als du ein kleiner Junge warst?“
„Ja.“
„Hat da der alte Mann gelebt, Jack Carley?“
„Ja. Er ist herausgekommen, hat sich zu uns an den Strand gesetzt. Mit einer Flasche Rum und einer stinkigen alten Pfeife saß er da und spann so haarsträubende Geschichten, daß wir nie recht wußten, ob sie wahr waren.“
„Was für Geschichten?“
„Oh, Abenteuer... er war in der ganzen Welt herumgekommen, hatte alles gemacht. War Koch auf einem Tanker, Holzfäller, hat Straßen und Schienen gebaut, im Bergwerk gearbeitet. Er ist fünf Jahre oder länger in Chile gewesen, hat dort gearbeitet und kam als reicher Mann nach Hause, aber binnen zwölf Monaten war das Geld futsch, und dann zog er wieder los.“
„Aber er ist zurückgekommen.“
„Ja, er ist zurückgekommen. Zurück in Jack Carley's Bucht.“
Cara schauderte. „Ist dir kalt?“
„Nanny sagt immer, da geht ein Geist über dein Grab.“
„Dann zieh einen Pullover an, der hält die Geister fern, und gleich ist das Essen fertig.“
Als Virginia ihn mit den Kindern sah, dachte sie daran, wieviel Anthony entgangen war, weil er nie etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Wäre Cara hübsch gewesen, vielleicht hätte er sie dann beachtet, Cara, die sich nach Zuwendung und Liebe sehnte und ihren Vater für den wunderbarsten Menschen auf der Welt hielt. Aber sie war unscheinbar und schüchtern, und er hatte sich nie Mühe gegeben zu verbergen, daß er sich ihrer schämte. Und Nicholas... mit Nicholas hätte es anders sein können. Wenn er alt genug gewesen wäre, hätte Anthony ihm Schießen, Golf spielen und Angeln beigebracht, sie wären Kumpel geworden und zusammen herumgezogen. Aber Anthony war tot, und nichts davon würde geschehen, und es tat ihr leid, daß sie sich nie erinnern würden, mit ihm geschwommen zu sein, sie würden nie mit ihm an einem Lagerfeuer hocken, seinen Geschichten lauschen und seinen geschickten` Händen zusehen, die Holzspieße schnitzten, um sie statt Gabeln zu benutzen.
Die sinkende Sonne schien direkt auf sie herab, die See flimmerte und blendete. Bald würde es Abend sein und dunkel. Und Jack Carley hatte hier gelebt, so wie Aubrey Crane in Bosithick gelebt hatte. Man sah sie nicht. Man hörte sie nicht. Und wußte doch, daß sie noch da waren.
Diese Gegenwärtigkeit der Vergangenheit war beunruhigend, aber irgendwie natürlich und daher nicht wirklich beängstigend. Und in dieser Gegend konnte man unmöglich als nervöse oder ängstliche Person existieren, denn hinter der Schönheit war es ein wildes Land, und überall lauerte Gefahr. In der tiefen, tückischen See mit ihren Strudeln und unerwarteten Strömungen. Auf den Klippen und in den Höhlen, die so rasch
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