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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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von der Flut abgeschnitten und überspült wurden. Sogar die stillen Felder, über die sie heute nachmittag gegangen waren, verbargen ungeahnte Schrecken; verlassene Minen, tiefe Gruben und Schächte, schwarz wie Brunnen, lagen unter dem Farnkraut verborgen. Und Reste von Fellen und Federn, kleine gebleichte Knochen zeugten von den Füchsen, die in Erdlöchern unter dem Stechginster ihre Lager bauten.
    Und wenn es Nacht wurde, hob die Eule zu ihrem Raubvogelgeheul an, und der Dachs kam hervor, um zu graben und zu stöbern. Die Aufregungen der Jagd waren nichts für ihn. Er war es zufrieden, mitten in der Nacht den Deckel eines Mülleimers herunterzustoßen, wobei er ein solches Getöse verursachte, daß die Bauersfrau in kaltem Angstschweiß aufwachte.
    „Mami, der Fisch ist gar.“ Caras Stimme unterbrach Virginias Gedanken. Sie blickte auf und sah Cara einen Stock hochhalten, ein Stück Fisch gefährlich an der Spitze aufgespießt. „Komm her, nimm es, schnell, bevor es runterfällt!“ Ihre Stimme war verzweifelt, und Virginia stand auf, klopfte den Sand von ihrem Badeanzug und ging zu den anderen.
    Im Nachglühen der sinkenden Sonne, bei ablandigem Wind, der ihnen kühl in die Gesichter blies, wanderten sie langsam nach Hause. Die Kinder waren schläfrig und still. Nicholas war nicht zu stolz, sich von Eustace huckepack nehmen zu lassen; Virginia trug die nassen Badesachen und Handtücher in dem Einkaufsnetz, in dem zuvor die Makrelen gelegen hatten, und half Cara mit der anderen Hand. Sie waren alle sandig, salzig, zerzaust, ermattet, der Pfad war steil und die Kletterei durch das Farngestrüpp und das tückische Unterholz anstrengend. Doch am Ende langten sie oben auf den Feldern an, und von da an ging es sich leicht. Hinter ihnen reflektierte das im Halblicht schimmernde Meer alle Farben des Himmels, und vor ihnen in der Senke lag Bosithick, und über die Straße dahinter flackerten hin und wieder die Scheinwerfer eines fahrenden Autos.
    Einige von Eustace' Kühen waren durch eine Lücke in der Hecke auf das obere Feld gewandert. Braun und weiß ragten sie im Dämmerlicht auf, machten muntere Kaugeräusche und hoben die Köpfe, als die kleine Prozession vorüberging.
    Nicholas beugte sich vor und sprach in Eustace' Ohr: „Kommst du mit zu uns?“
    Er lächelte. „Zeit, daß ich nach Hause komme.“
    „Es wäre schön, wenn du zum Abendessen bleiben würdest.“
    „Du hast doch schon zu Abend gegessen.“
    „Ich dachte, das war Teezeit.“
    „Sag bloß nicht, du hast noch Platz im Bauch.“
    Nicholas gähnte. „Nein, vielleicht nicht.“
    „Ich koche euch Kakao, den könnt ihr im Bett trinken“, versprach Virginia.
    „Ja“, sagte Nicholas. „Aber es wär’ schön, wenn Eustace mitkommen und uns was erzählen würde, solange wir baden.“
    Cara stimmte ein: „Ja, Mami kann uns Kakao machen, und du kannst uns was erzählen.“
    „Ich mach noch mehr“, sagte Eustace. „Ich schrubbe euch den Sand vom Rücken.“
    Sie kicherten in hellen Tönen, als sei das furchtbar komisch, und sobald sie im Haus waren, rasten sie ins Badezimmer und kabbelten sich um die Wasserhähne. Unheilvolle Spritzgeräusche kamen durch die Tür, und Eustace krempelte die Ärmel auf und ging hinein, um der Tollerei ein Ende zu bereiten. Virginia hörte ihn sagen: „Still jetzt, ihr versenkt das Schiff, wenn ihr nicht aufpaßt.“
    Sie überließ ihm die Kinder, ging mit dem Fischnetz in die Küche, kippte die Badesachen und die sandverkrusteten Handtücher in den Spülstein, wusch sie aus, trug sie in den dunklen Garten, fand tastend die Wäscheleine und hängte die Sachen auf. Sie blähten sich und flatterten im Dunkeln wie Gespenster.
    Wieder in der Küche, goß sie Milch in einen Topf, setzte sie auf, blieb, an den Herd gelehnt, dabei stehen, gähnte ein wenig. Sie hob eine Hand an die Augen und merkte, daß ihr Gesicht rauh war von Sand. Sie nahm den kleinen Spiegel und einen Kamm aus ihrer Handtasche, lehnte den Spiegel an ein Bord der Anrichte und versuchte, ihre Haare zu ordnen, aber sie waren steif und verklebt vom Salz und voll Sand. Heimlich wünschte sie, daß es hier eine Dusche zum Haare waschen gäbe, denn den Kopf unter den Wasserhahn zu halten, war ihr zu umständlich. In dem spärlichen Licht sah ihr Bild sie aus dem runden Spiegel an; sie hatte Sommersprossen auf dem Nasenrücken, aber ihre Augen waren umschattet, dunkel wie zwei Löcher in ihrem Gesicht.
    Die Milch im Kochtopf stieg hoch. Sie machte zwei

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