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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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gab ihnen die Schokolade, aber sprach mit ihnen wie mit Erwachsenen. Was habt ihr gemacht? Was habt ihr gestern gemacht, als es so geregnet hat? Seid ihr schon schwimmen gewesen?
    Sie erzählten es ihm, wobei sie sich gegenseitig übertönten; nachdem Cara ihre Schüchternheit überwunden hatte, war sie genau so begierig wie Nicholas, sich mitzuteilen.
    „Wir haben Regenmäntel gekauft, und wir sind klitschenaß geworden. Und Mami mußte auf die Bank, Geld holen, und Nicholas hat einen Eimer und eine Schaufel gekriegt.“
    „Aber ich war noch nicht am Strand graben!“
    „Und heute morgen waren wir bei Lingards schwimmen. In Tante Alice' Schwimmbad. Aber wir sind noch nicht im Meer geschwommen.“
    Eustace hob die Augenbrauen. „Ihr seid nicht im Meer geschwommen und nicht am Strand gewesen? Das geht aber nicht!“
    „Mami sagt, sie hat keine Zeit...“
    „Aber sie hat es mir versprochen.“ Als Nicholas sein Kummer wieder einfiel, war er empört. „Sie hat gesagt, heute darf ich mit der Schaufel graben, aber ich war noch gar nicht im Sand.“
    Virginia lachte über ihn, worauf er noch zorniger wurde.
    „Ist doch wahr, und das wünsch ich mir am allermeisten.“
    „Schön“, sagte Eustace, „wenn du dir das am allermeisten wünschst, wieso sitzen wir dann hier rum und quasseln uns die Seele aus dem Leib?“
    Nicholas sah Eustace mit mißtrauisch zusammengekniffenen Augen an. „Du meinst, wir gehen an den Strand?“
    „Warum nicht?“
    „Jetzt?“ Nicholas traute seinen Ohren nicht.
    „Möchtest du lieber was anderes machen?“
    „Nein, gar nicht.“ Er sprang auf die Füße. „Wo gehen wir hin? Nach Porthkerris?“
    „Nein, dahin nicht - da ist es gräßlich voll. Wir gehen an unseren Privatstrand, den keiner kennt; der gehört nur zu Penfolda und Bosithick.“
    Virginia war verblüfft. „Ich wußte nicht, daß wir einen Strand haben. Ich dachte, da wären bloß Klippen.“
    Inzwischen war auch Eustace auf den Beinen. „Ich zeig's euch... kommt, wir fahren mit dem Landrover.“
    „Mein Eimer und meine Schaufel sind in unserem Haus.“
    „Die holen wir unterwegs ab.“
    „Und unsere Badesachen“, sagte Cara.
    „Die auch.“
    Er ging ins Haus, um seine Sachen zu holen, rief Mrs. Thomas etwas zu, ging voraus durchs Tor und über den Hof. Er pfiff, und die Hunde kamen bellend um die Scheune gesaust; sie wußten, der Pfiff bedeutete spazierengehen, Gerüche, Kaninchen, vielleicht ein Bad. Sie kletterten alle mitsamt den Hunden in den Landrover, und Cara, die ihre Scheu jetzt ganz überwunden hatte, kreischte vor Vergnügen, als sie aus dem kopfsteingepflasterten Hof rumpelten und holpernd auf dem Feldweg zur Hauptstraße fuhren.
    „Ist es weit?“ fragte sie Eustace.
    „Überhaupt nicht.“
    „Wie heißt der Strand?“
    „Jack Carley's Bucht. Und es ist nichts für Babies, nur für große Kinder, die auf sich aufpassen und die Klippe runterklettern können.“
    Sie versicherten ihm hastig, daß sie schon groß seien, und Virginia betrachtete Nicholas' Gesicht und sah die Freude und Zufriedenheit, weil ihm endlich vergönnt war, was er sich den ganzen Tag gewünscht hatte. Und er würde es sofort tun. Keiner sagte, vielleicht morgen, oder er solle abwarten oder Geduld haben. Und sie wußte genau, wie ihm zumute war, denn vor langer Zeit hatte Eustace genau dasselbe Wunder für die junge Virginia vollbracht und ihr das Eis gekauft, das sie sich sehnlichst gewünscht hatte, und sie dann aus heiterem Himmel nach Penfolda eingeladen.

7
     
     
     
     
     
     
    S ie ließen den Landrover auf dem verlassenen Bauernhof, hinter Bosithick stehen und machten sich zu Fuß auf den Weg zum Meer. Anfangs, als es quer über die Felder ging, liefen sie zu viert nebeneinander; Eustace nahm Nicholas an der Hand, damit er nicht zurückblieb. Als aber dann die Felder von Brombeer- und Farngestrüpp abgelöst wurden, gingen sie hintereinander, Eustace voran, über bröckelnde Mäuerchen und einen Bach, wo die Binsen den Kleinen bis an die Schultern reichten. Dann wieder über einen Mauertritt, und da verschwand der Pfad unter wild wucherndem Farnkraut. Nur mühsam bahnten sie sich ihren Weg. Plötzlich fiel der Boden steil ab, und der Pfad führte im Zickzack durchs Unterholz direkt an den Rand der Klippe. Dahinter öffnete sich freier Raum, blaue Luft. Kreisende, schreiende Möwen und das ferne, schäumende Meer.
    An dieser Stelle mündete die Küste in einer zerklüfteten Landspitze aus großen Granitbrocken.

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