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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Nachtluft wurde kühl, und zog die dünnen Gardinen zu. Sogleich wirkte das Zimmer im spärlichen Licht der Nachttischlampe behaglich; die einzigen Geräusche waren das Ticken von Caras Uhr und das Atmen der Kinder.
    In diesem Augenblick war sie voller Liebe. Zu ihren Kindern, zu diesem seltsamen kleinen Haus, zu dem Mann, der unten auf sie wartete. Und sie hatte auch ein wunderbares Gefühl von Erfüllung, das Gefühl, daß alles richtig war. Es wird das erste Mal sein, dachte sie, daß ich mit Eustace allein bin, mit unendlich viel Zeit. Nur wir beide. Sie würde den Kamin anzünden, die Vorhänge zuziehen und ihm eine Kanne Kaffee machen. Wenn sie wollten, könnten sie die ganze Nacht reden. Sie könnten zusammensein.
    Cara und Nicholas waren eingeschlafen. Sie knipste das Licht aus und ging hinunter, wo sie zu ihrer Verwunderung unversehens Dunkelheit umfing. Für einen unglaublichen Augenblick dachte sie, Eustace habe es sich anders überlegt und sei schon gegangen, doch dann sah sie ihn am Fenster stehen; er rauchte und beobachtete, wie das letzte Licht am Himmel erstarb. Ein Schatten dieses Lichts lag auf seinem Gesicht, doch als er ihre Schritte hörte, drehte er sich um, und sie konnte nichts in seinem Gesicht erkennen.
    Sie sagte: „Ich dachte, du wärst gegangen.“
    „Nein. Ich bin noch da.“
    Die Dunkelheit machte Virginia unsicher. Sie knipste die Tischlampe an, die sanftes gelbes Licht verbreitete. Sie wartete, daß er sprach, und als er nichts sagte, nur dastand und rauchte, begann sie, die Stille mit Worten zu füllen.
    „Ich... ich weiß nicht, was mit dem Abendessen ist. Möchtest du etwas? Ich weiß nicht mal, wie spät es ist.“
    „Ich brauche nichts.“
    „Ich könnte Kaffee kochen.“
    „Du hast nicht zufällig eine Dose Bier?“
    Sie machte eine hilflose Geste. „Nein, Eustace. Tut mir leid. Ich habe keines gekauft. Ich trinke nie Bier.“ Das hörte sich prüde an, als hätte sie etwas gegen Bier. „Ich meine, es schmeckt mir einfach nicht.“ Sie lächelte, bemüht, es scherzhaft klingen zu lassen.
    „Macht nichts.“
    Das Lächeln erstarb. Virginia schluckte. „Möchtest du wirklich keinen Kaffee?“
    „Nein, danke.“ Er sah sich nach etwas um, wo er seine Zigarette ausdrücken konnte. Sie holte ihm eine Untertasse, stellte sie auf den Tisch, und er zerkrümelte die Kippe, als hätte er einen persönlichen Groll gegen sie.
    „Ich muß gehen.“
    „Aber...“
    Er drehte sich zu ihr hin, wartete, daß sie zu Ende spreche. Sie verlor den Mut. „Ja. Es war ein schöner Tag. Es war nett von dir, uns deine Zeit zu opfern und uns die Bucht zu zeigen und... alles.“ Ihre Stimme klang schrill und förmlich, als ob sie einen Basar eröffnete. „Den Kindern hat es gefallen.“
    „Es sind liebe Kinder.“
    „Ja. Ich ...“
    „Wann fährst du nach Schottland zurück?“
    Die abrupte Frage, seine kühle Stimme waren erschreckend. Ihr war plötzlich kalt, in schlimmer Vorahnung rieselte ihr ein Schauder wie eisiges Wasser über den Rücken.
    „Ich... ich weiß nicht genau.“ Sie griff nach der Rückenlehne eines Holzstuhles und lehnte sich dagegen, als müßte sie sich abstützen. „Warum fragst du?“
    „Du wirst zurück müssen.“
    Es war eine Feststellung, keine Frage. Sie führte dazu, daß Virginia in mangelndem Selbstvertrauen die schlimmsten Schlüsse zog. Eustace erwartete, ja wünschte, daß sie abreiste. Sie hörte sich mit erstaunlicher Leichtigkeit zu ihm sagen: „Ja sicher, irgendwann. Es ist schließlich mein Zuhause. Die Heimat der Kinder.“
    „Ich hatte bis heute abend nicht gewußt, daß es ein so großer Besitz ist.“
    „Ach, du meinst Caras Fotos.“
    „Aber du hast ja viele Leute, die dir bei der Bewirtschaftung helfen.“
    „Ich leite das Gut nicht, Eustace.“
    „Solltest du aber. Du solltest etwas von Landwirtschaft lernen. Du würdest staunen, wie vielfältig das ist. Du solltest dich dafür interessieren, etwas Neues anfangen. Eine Herde Aberdeen Angus-Rinder. Hat dein Mann je an so was gedacht? Daß man einen guten Bullen auf dem Markt in Perth für sechzig-, siebzigtausend Pfund verkaufen könnte?“
    Es war wie ein Alptraum, verrückt und sinnlos. Sie sagte: „Ist das wahr?“, aber ihr Mund war trocken, und die Worte waren kaum zu hören.
    „Natürlich. Und wer weiß, eines Tages hast du vielleicht was wirklich Großes aufgebaut, das du an deinen Jungen weitergeben kannst.“
    „Ja.“
    Er sagte wieder: „Ich muß gehen.“ Der Anflug

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