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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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sie noch nichts von Owens gesehen, obwohl sie wusste, dass er zu Hause war, weil seine Mutter ihn rief, als sie auf dem Wegzum Briefkasten war, der an der Straße stand.
    Tessa dachte, seine Mutter sehe erschöpft aus, wie ein Hund, der zu häufig getreten wurde, und der nie mehr seinem Herrchen traute und seine Lebensfreude eingebüßt hatte. Wahrscheinlich war sie erst um die vierzig, aber sie sah wesentlich älter aus. Sie ging gebückt, und ihre Haut war fahl. Dennoch hatte Tessa etwas an ihr entdecken können, das jugendlich war, etwas Fröhliches, als Mrs. Owen ihren Sohn rief. Tessa tat es leid, dass ihr Gesicht hoffnungsvoll aussah und Roberts Mutter kurzfristig ihre Schulter nach hinten durchdrückte. Offensichtlich war Robert ihr wichtig. Er würde sie wieder enttäuschen.
    Am Himmel ballten sich graue Wolken. Blitze zuckten über den Horizont, und bei jedem Windstoß konnte man den Geruch von Ozon wahrnehmen. Es erinnerte Tessa an die Nacht, als sie, Nancy und Helen im Regen hinter dem Haus tanzten. Jetzt gab es keinen Anlass mehr, spätabends auf Schatzsuche zu gehen. Letzte Woche hatten sie vergebens nach der dritten Dose gegraben. Nancy war es leid und mietete schließlich einen Metalldetektor. Nach fünfzehn Minuten hatten sie schließlich die letzte Sparbüchse gefunden. Jetzt lag Helens Erspartes auf der Bank, und im Garten sprossen die ersten Immergrün dort, wo die Erde noch umgegraben war.
    Die Haustür ging auf, und Mrs. Owens spähte hinaus, als würde sie hoffen, dass der Regen sofort aufhörte. Dann rannte sie ohne Regenschirm hinaus zu ihrem Wagen, der auf der Auffahrt stand, schloss auf und setzte sich hinter das Steuer. Die Scheinwerfer und Scheibenwischer gingen an, sie setzte zurück und fuhr davon.
    Ihr Sohn war nicht dabei gewesen. Robert Owens war also noch im Haus, und nun gab es kein Auto mehr, das er hätte fahren können.
    Der Regen wurde immer stärker, und Tessa überlegte, ob sie nicht einfach nach Hause fahren sollte. Robert war jetzt von der Außenwelt abgeschnitten. Es würde durch den Regen länger dauern, nach Shenandoah County zu fahren, und sie war jetzt schon erschöpft. Wie groß war die Chance, dass Owens das Haus bei diesem Wetter zu Fuß verließ?
    Wie groß war die Chance, dass ein Alkoholiker sich von ein wenig Regen davon abhalten ließ zu trinken?
    Sie rutsche ein wenig tiefer in ihren Sitz und streckte den Nacken. Langsam schloss sie die Augen. Sie war deutlich erschöpfter als sonst. Nachdem sie gestern Abend endlich hatte einschlafen können, suchte sie der Albtraum zwei Mal heim. Wahrscheinlich tat das Beobachten ein Übriges. Sie hatte wenig Ruhe gehabt und war nicht joggen gegangen, um länger schlafen zu können. Aber sie brauchte Schlaf.
    Sie brauchte so viel mehr als Schlaf und wusste nicht, wie sie es bekommen konnte.
    Gerade als sie die Augen wieder öffnete, parkte ein alter, silberner, umgebauter Lieferwagen auf der anderen Straßenseite. Ihrem Wagen genau gegenüber. Sie sah, wie eine ganze Wagenladung junger Männer aus dem Auto quoll, sie lachten und fluchten. Dann rannten sie zur Haustür, dabei schubsten sie einander übermütig. Unter der Straßenbeleuchtung und durch die Lampe über der Haustür konnte sie zählen, wie viele es waren: Fünf junge Männer trugen gerade braune Papiertüten in das Haus von Robert Owens. Sie verschwanden im Haus, die Lampe über der Tür erlosch, und auf der Straße war es wieder ruhig.
    Tessa war jetzt wieder völlig wach und konzentriert. Adrenalin schoss durch ihre Adern. Sie erkannte eine Party, wenn sie eine sah. Es gab alles, was dazugehörte: die aufgekratzten jungen Männer, Einkaufstüten, die mit Bier oder harten Alkoholika gefüllt waren. Ein verregneter Abend warperfekt dafür, sich in privater Runde volllaufen zu lassen.
    Und Mrs. Owens, der gute Einfluss, auf den die Geschworenen und der Richter gesetzt hatten – sie war fort.
    Tessa setzte sich auf, ihre Hände lagen auf dem Lenkrad. Sie wünschte, sie könnte jetzt im Haus Mäuschen spielen. Obwohl sie nicht jeden einzelnen Punkt auf der Bewährungs-Vereinbarung kannte, nahm sie an, dass es erlaubt war, mit Freunden Freizeit zu verbringen, solange Robert keine der anderen Regeln missachtete. Vielleicht hatten sich die jungen Männer einfach nur verabredet, um gemeinsam ein Fußballspiel oder Boxen im Fernsehen anzuschauen. Sie wusste es nicht, und es war ihr auch egal. Aber wenn sie tranken und Robert auch trank, dann verstieß er gegen die

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