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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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Mauer. Es war eng, und die Äste der immergrünen Pflanzen klatschten an ihre Schultern und gegen ihren Nacken. Sie stand vor einem Christdorn und spürte, wie die scharfen Kanten der Blätter in ihren Mantel hakten. Als sie versuchte, den Ast beiseitezu drücken, schnitten sie ihr in die Hände. Langsam arbeitete sie sich voran, und der Lärm wurde lauter. Sie machte nicht den Fehler, ihr Gesicht dicht an die Scheibe zu halten, obwohl sie es gern getan hätte. Sie bückte sich herunter und sah durch eine untere Ecke des Fensters hinein. Der Blick wurde ihr von einem Vorhang versperrt, deshalb musste sie ein wenig näher heranrücken. Vor ihr lag nun ein Teil des Zimmers. Sie sah einen Fernseher, obwohl es unwahrscheinlich war, dass jemand hörte, was dort gesprochen wurde, weil die Musik so laut war. Sie erschrak, als ein junger Mann an ihr vorbeiging, um den Sender zu ändern. Er trug Jeans, die auf seine Hüften hinuntergerutscht waren, und ein zu großes T-Shirt. Als er sich umdrehte, konnte sie den Druck auf dem Hemd lesen: „Hooters“ stand vor einer Eule in einem hellen Orangeton. Auch hier gab es keine leisen Töne, aber was hatte sie erwartet?
    Ein zweiter Mann kam dazu. Beide hielten Dosen in der Hand, aber Tessa konnte nicht sehen, was darin war. Der Zweite trug kurze Hosen, die bis zum Knie reichten, und ein kariertes Sporthemd, das nicht zugeknöpft war. Man konnte seine Brust sehen. Beide Männer hatten ungepflegte Haare, und ihr Gesichtsausdruck war düster und gelangweilt. Sie fragte sich, ob sie sich selbst voneinander unterscheiden konnten.
    Aber keiner der beiden war Robert.
    Tessa drehte sich um, um zu sehen, was hinter den Büschen war. Die einzige Möglichkeit, wie sie noch besser sehen könnte, war, hinter die Pflanzen zu gehen und sie dann als Sichtschutz zu benutzen. Zwar wäre es riskant, sich wieder vom Haus fortzubewegen, aber so, wie die Dinge lagen, war das Risiko nicht allzu groß.
    Auch der allerletzte kleinste Rest von ihr war jetzt durchnässt, weil sie sich durch die Büsche geschlagen hatte, um zurMitte des Fensters zu gelangen. Jetzt konnte sie zwar besser sehen, aber es gab keine Blätter mehr, die ihr minimalen Schutz vor dem Regen boten. In der Zimmerecke dem Fernseher gegenüber standen zwei Männer und lachten. Sie schubsten einander, jeder hatte seine Hand auf der Schulter des anderen, so ging es hin und her. Offensichtlich war es nur Spaß. Sie fühlte sich an junge Hirsche erinnert, die sich die Hörner abstießen, ihre Kraft testeten, ihren Platz in der Hierarchie fanden.
    Dann betrat Robert den Raum. Es war die Verkörperung ihrer Albträume, dieser breitschultrige, schwere Mann, dessen Beine nicht zu dem muskulösen Oberkörper passten, und dessen Körperhaltung die eines Affen war. Er hatte kurze, mittelbraune Haare, und eine hohe, breite Stirn, die die eng beieinanderstehenden Augen unschön betonte.
    Wäre er einfach einer ihrer Schüler gewesen und wäre sie die Frau geblieben, die sie vor Kayleys Tod war, hätte sie sich bemüht, ihn zu verstehen. Sie hatte sich immer gerade um die Jugendlichen besonders gekümmert, die weniger gute Chancen als die anderen hatten. Sie kannte sein Vorstrafenregister. Sein Intelligenzquotient wäre hoch genug gewesen, um mühelos gute Noten zu bekommen. Schon als kleiner Junge war er Gruppenführer bei den Pfadfindern gewesen, später hatte er dort einige Auszeichnungen erhalten, bevor sein Leben auseinandergebrochen war.
    Aber ab da änderte sich sein Verhalten. Vandalismus. Einfacher Diebstahl. Trunkenheit am Steuer. Gute Noten wurden zu schlechten. Probleme, mit Frustration umzugehen. In einer Rauferei mit einem Mitschüler hatte er seinen Gegner bewusstlos geschlagen. Jedenfalls lag dieser am Ende bewusstlos auf dem Boden der Turnhalle. Schulverweis. Wiederaufnahme. Schulverweis.
    Nun sah Tessa dabei zu, wie Robert sich zu den anderenbeiden stellte, die sich augenscheinlich darüber stritten, welcher Sender laufen sollte. Er stellte sich zwischen sie, da änderte sich schon wieder der Sender. Er hatte weder ein Glas noch eine Dose in der Hand, aber Tessa wusste, dass das nichts zu bedeuten hatte. Seit seine Freunde bei ihm eingetroffen waren, hatte er genug Zeit gehabt, ein Bier oder zwei zu kippen. Wer würde nach so einer langen trockenen Zeit im Gefängnis nicht gern ein Bierchen trinken?
    Wenn sie nur lange genug warten würde … Wenn sie weiter hier stehen und durchs Fenster schauen würde … Wenn sie …
    Robert drehte

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