Sommer der Entscheidung
wieder in sein Leben gebracht: Auf dem Kaminsims stand die krumme Vase mit den Seidenrosen, die Kayley einmal im Ferienlager getöpfert hatte. Er hatte die Fotos von seiner Tochter wieder aufgestellt: Kayley allein, mit Freunden, mit ihren Eltern und Biscuit. Sie lächelte jetzt von Beistelltischen und Regalen herunter. Der Drache, den sie selbst gebastelt und ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, hing an der Wand.
Zusammen hatten sie Drachen steigen lassen, von dem höchsten Hügel hinter Helens Haus. Er erinnerte sich so gut an Kayley und ihren Drachen …
Er freute sich, dass er diesen kleinen Teil von Kayley wieder zurück in sein Leben gebracht hatte. Aber gleichzeitig war er unendlich traurig darüber, dass das alles war, was er tun konnte.
Endlich drang das Geräusch der Türklingel an sein Ohr, und dann wurde ihm klar, dass es nicht das erste Klingeln sein konnte. Er ging zur Tür und sah Erin in robusten Khaki-Shorts und einem neonorangefarbenen Oberteil, das bis zum Brustansatz offen war, vor sich stehen. Sie trug einen königsblauen Fahrradhelm unter einem Arm und war gerade dabei, wieder fortzugehen.
„Erin.“ Er grinste sie an. „Ein schöner Tag für eine ausgiebige Radtour?“
„Nur bis mittags. Ich dachte, ich bewege mich ein bisschen, bevor es zu heiß wird.“
„Wie warm ist es jetzt, 27 °C oder 29 °C? So kühl wie eine Quelle in den Bergen.“
Sie lächelte ihn mit ihrem Mittleren-Westen-Schönheits-königin-Lächeln an. „Ist ja auch egal. Ich habe deinen Wagen gesehen und dachte, vielleicht hast du Lust, mit mir eine Runde zu fahren. Du hast doch ein Fahrrad, oder?“
Sie hatte sein Auto, aber nicht seine Frau gesehen. Er war sich sicher, dass sie genau geschaut hatte, ob es ein Anzeichen für Tessas Anwesenheit gegeben hatte.
Mack hatte ein Fahrrad. Seit Kayleys Tod war er damit nicht mehr gefahren. Er war sich nicht sicher, aber es konnte gut sein, dass es noch den Kindersitz anmontiert hatte, mit dem er seine Tochter mitgenommen hatte. Sie konnte alleine Rad fahren, als sie vier Jahre alt war. Was war sie stolz gewesen …
„Du siehst nicht aus wie ein Mann, der sich ein wenig sportlich betätigen will …“, sagte Erin nach einer Weile. Sie hatte seinen Gesichtsausdruck richtig interpretiert. „Ich fahr einfach allein.“
„Nein, es ist nur so, dass mein Fahrrad wahrscheinlich in einem schrecklichen Zustand ist. Ich bin seit … Ewigkeiten nicht mehr damit gefahren. Aber du siehst so aus, als könntest du erst mal etwas zu trinken gebrauchen. Ich habe Eistee, Saft …“
„Störe ich auch nicht?“
„Nein.“ Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass er „Ja“ hätte sagen sollen. Er hätte beschäftigt sein sollen. Oder wenigstens hätte er es vorgeben sollen. Er war einsam, verletzlich und fühlte sich von ihr angezogen. Das war eine tödliche Kombination.
„Okay. Ich mache eine kurze Pause, dann fahre ich weiter.“Sie löste ihre Haarspange und schüttelte den Kopf. Ihr Haar erinnerte Mack an Sonnenstrahlen.
Sie trat hinter ihm ins Haus. Sie standen im Wohnzimmer, und sie sah sich um. „Du hast ein schönes Zuhause, Mack.“ Sofort ging sie zu den Fotos und nahm eines in die Hand, auf dem Kayley auf einem Pony posierte. Es war ihr Geburtstag. „Stellen sie die Pferde extra so hin?“
Er bewunderte ihre behutsame Art, sich auszudrücken. Sie sprach in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit. „Sie bearbeitete uns schon, weil sie Reitunterricht nehmen wollte. Tessa suchte damals schon nach einem guten Stall, der Unterricht anbietet.“
„Ich bin froh, dass ihr Erinnerungsstücke hier stehen habt. Als Jeff starb, packten meine Eltern alles in Kisten, was sie an ihn erinnerte. Sie sind nicht damit einverstanden, dass ich Fotos von ihm in meinem Apartment hängen habe.“
„Mal sehen, was der Kühlschrank hergibt.“ Er ging in die Küche voraus. Auch hier hatte er schon Dinge von Kayley untergebracht: Gehäkelte Topflappen hingen an der Wand. Porzellantöpfe in Form einer Maus, einer Katze und einem großen Stück Schweizer Käse standen auf einem Regal. Auf einem anderen prangte eine Krümelmonsteraus-der-Sesamstraße-Keksdose, als ob Kayleys Lieblingskekse dort hineingehörten. Sie hatte sich die Dose ausgesucht, als die ganze Familie gemeinsam einkaufen gegangen war.
Mack öffnete die Tür des Kühlschranks und zählte seinen Inhalt auf. „Eistee aus der Packung, Wasser, Apfelsaft …“
„Wasser wäre prima.“
Er nahm ein Glas aus dem Schrank,
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