Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
Vom Netzwerk:
es ihm besser gehen würde. Vielleicht könnte dann, eines Tages, ihre Ehe noch schön werden.
    Aber der Stress und ihre Erschöpfung verwandelte die normale Übelkeit am Morgen in einen Zustand, der ihr Angst machte. So verbrachte sie den größten Teil ihrer Hochzeitsnacht in dem winzigen Badezimmer mit einem kaputten Linoleumfußboden und einem Waschbecken, das Rostflecken auf der gesprungenen Emaille hatte.
    Billy schlief allein.
    Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012

23. KAPITEL
    T essa joggte am Montagmorgen länger als gewöhnlich. Sie konnte fast spüren, wie die Kilos von ihr abfielen, obwohl sie sowieso schon recht dünn war. Sie hielt unterwegs nicht an, um etwas zu trinken. Stattdessen sprühte sie sich bis zur Mitte ihrer Laufstrecke den Inhalt ihrer Wasserflasche ins Gesicht, um sich zu erfrischen, und kippte sich später den Rest über den Kopf. Sie lief weiter und dachte über die Geständnisse ihrer Mutter nach und was sie gestern beim Mittagessen besprochen hatten.
    Nancy hatte ihre Geschichte recht sachlich erzählt, aber Tessa hatte gespürt, wie verletzt Nancy immer noch war. Tessa war nicht so überrascht von der Tatsache gewesen, dass sie vor der Ehe ihrer Eltern empfangen worden war, als von der Trauer, die Nancy noch über ihre Kurzschluss-Heirat fühlte. Es war deutlich geworden, dass Nancy das Gefühl hatte, Billy hätte sie allein aus Pflichtgefühl geheiratet, und nichts, was dann folgte, hatte sie von etwas anderem überzeugen können. Nach dieser Enthüllung hatte sich Tessa ihrer Mutter sehr nah gefühlt und verstand nun viele Dinge sehr viel besser.
    Tessa hatte die Ehe als etwas Einfaches angesehen. Eine Frau trifft einen Mann, von dem sie sich angezogen fühlt. Sie probiert die Beziehung an wie ein Kleid von der Stange, das man in einer Boutique kaufen kann. Dann, wenn sie nicht passt oder so aussieht, als würde sie sich nicht zum Guten ändern, wird sie weggeworfen und die nächste Beziehung getestet. Wenn sie fast passt, ändert man sie hier und da, kürzt oder verlängert den Saum, dann schaut man sich das Endprodukt an. Wenn Tessa mit diesem neuen Kleid zufrieden war, behielt sie es und zog es jeden Tag an.
    Im Nachhinein wunderte sich Tessa darüber, wie ungeniertsie damals gewesen war. Bis zu Kayleys Tod war sie keine besonders komplizierte Person gewesen. Sie hatte eine Menge Vorteile in ihrem Leben gehabt: Eltern, die sie liebten, Geld, eine gute Bildung, gesellschaftlichen Status. Sie hatte ein soziales Gewissen, aber dennoch kein schlechtes Gewissen auf Grund ihres eigenen Glücks. Sie hatte tiefe Liebe empfunden, konnte leicht verzeihen und urteilte bei ihren Freunden und Kollegen immer im Zweifel für den Angeklagten. In Wahrheit hatte sie ihr glückliches Leben nicht darauf vorbereitet, dass ihr Kind sterben könnte. Das Böse, Kummer, Hass waren in Tessas Kopf abstrakte Konzepte gewesen, die sie aus eigener Erfahrung nicht kannte.
    Nancys Leben, bevor sie heiratete, hatte sie ebenso wenig darauf vorbereitet, wie sie mit Krisen umgehen sollte. Helen hatte dafür gesorgt, dass ihre Tochter viel arbeitete, damit sie nicht ins Träumen kam. Aber natürlich machte sie nichts anderes, weil sie keine Zeit für Freunde oder gar Verabredungen mit Jungen hatte. Nancy hatte nie die Erfahrung von Liebe, Sicherheit oder Verlangen gemacht. Sie hatte noch nicht einmal viel gelacht in ihrem Leben. Auf gewisse Weise ähnelte sie der Prinzessin im Turm, die darauf wartete, dass sie ein schöner Prinz rettete. Nur Tessas Vater war nicht darüber glücklich, dass er die Prinzessin nun hatte, nachdem sie der heimatlichen Burg entkommen war.
    Eine Ehe war alles andere als einfach. Wie so viele andere Dinge, die Tessa in den letzten Jahren gelernt hatte, war das die Lektion, die sie gern übersprungen hätte. Als sie nur noch wenige hundert Meter von dem Haus ihrer Großmutter entfernt war, dachte Tessa an Mack. Sie hatte zu laufen aufgehört und ging den Rest der Strecke, um sich abzukühlen.
    Seit Samstagnacht hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen, als er sie dabei erwischte, wie sie durch das Fenster von Robert Owens spioniert hatte. Aber seitdem hattesie viel an ihn gedacht. Wie deutlich war die Grenze, die das Unterbewusste von dem Bewussten trennt? Seit wann hatte sie Mack von sich fortgetrieben, und wann war es von einem unbewussten Mechanismus zu einer bewussten Tat geworden? An welchem Punkt hatte sie sich selbst gesagt, dass es ihr allein besser

Weitere Kostenlose Bücher