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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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gehen würde?
    Jetzt wurde ihr klar, dass sie seit Kayleys Tod immer versucht hatte, Mack nicht zu lieben, weil er sie an bessere Zeiten erinnerte. Und hatte sie nicht auch Angst gehabt, dass er sie verlassen würde? Dass, wenn sie ihn ablehnte, sie die Kontrolle über den Zeitpunkt der Trennung hatte?
    Hätte ein Psychotherapeut ihr dabei helfen können, diese Zusammenhänge deutlicher zu erkennen? Hätte er ihr helfen können, einen Weg zu finden, mit dem Schmerz umzugehen, der gesünder gewesen wäre?
    Etwas war in ihrem Inneren zerbrochen. Hätte sie mit fremder Hilfe in der Lage sein können, diese Wunde wieder zu heilen? War es noch nicht zu spät, sie zu heilen?
    Tessa war so in Gedanken versunken, dass sie fast Cissy umgerannt hätte, die ihr aus der Richtung von Helens Haus entgegenkam.
    Tessa hielt an und lächelte vage als Entschuldigung. „Ich habe nachgedacht, ich habe dich nicht kommen sehen. Hast du Gram besucht?“
    „Noch nicht, ich komme später noch einmal zu Ihnen herüber, um mir eine Quilting-Stunde geben zu lassen.“ Cissy trug ein blau kariertes Sommerkleid ohne Ärmel. Ihre blonden Haare fielen über ihre nackten Schultern wie ein Sonnenaufgang. „Ich fühle mich besser, wenn ich ein wenig spazieren gehe, wenn es noch nicht ganz so heiß ist. Ich war gerade nur die Straße einmal hoch und wieder herunter gegangen. Wenn ich zu lange sitze, fängt mein Rücken an wehzutun.“
    „Das ging mir auch so.“ Tessa war von sich selbst überrascht.Sie hatte die Erinnerung an die Rückenschmerzen in der Schwangerschaft zusammen mit vielen anderen auf dem Dachboden in ihrem Kopf verstaut.
    „Ich weiß, dass Sie Ihr kleines Mädchen verloren haben“, sagte Cissy. „Das muss sicherlich sehr schwer für Sie gewesen sein.“
    Das war der Moment, in dem Tessa immer das Thema wechselte. Das wollte sie auch dieses Mal tun, aber sie erwischte sich dabei, wieder in dieses Muster zu fallen. Sie überlegte, was wohl passieren würde, wenn sie ein paar Sätze zu Kayleys Tod sagen würde. Sie wollte etwas sagen, aber es kam nichts heraus.
    Cissy sprang ein. „Als meine Großmutter starb, dachte ich, ich würde auch sterben. Aber ein Kind zu verlieren, das muss noch viel schrecklicher sein.“
    „Das war es.“ Es war ein Satz, nicht mehr, aber Tessa fühlte sich leichter.
    Ein zerbeulter Plymouth fuhr langsam auf sie zu. Die Straße war zu eng und zu holperig, um schnell zu fahren, aber die beiden Frauen hielten am Straßenrand und winkten dem Fahrer zu, er solle vorbeifahren. Sie warteten, bis er wieder weg war.
    „Ich habe ein paar Seiten geschrieben.“ Cissy sah auf den Boden und schob mit der Spitze ihres schmutzigen Tennisschuhs Erdklumpen auf dem Seitenstreifen umher.
    „Das ist gut.“ Tessa überlegte sich sorgfältig, was sie als Nächstes sagen sollte. „Ich würde es gern lesen. Hättest du Lust, mir den Text einmal zu zeigen?“
    „Interessiert Sie das wirklich? Weil ich nicht möchte, dass Sie sich darüber ärgern, dass Sie es mir einmal angeboten haben, oder so.“
    „Ich würde es wirklich gern lesen.“ Tessa meinte es ehrlich. Mit Cissy über Texte zu sprechen erinnerte sie an früher,als es ihr viel bedeutete, Lehrerin zu sein. Auch erinnerte es sie daran, dass sie in der Klasse nicht mehr die Alte war. Das beschäftigte sie in der letzten Zeit häufig.
    „Ich bringe ihn mit, wenn ich zum Quilten komme.“
    Sie gingen auseinander, und Tessa lief den Rest des Wegs bis zum Haus, um schnell zu frühstücken, bevor sie ihr neues Projekt in Angriff nahm: den Obstkeller und Hunderte von hausgemachten Marmeladen und eingemachten Konserven mit Obst und Tomaten.
    Als Cissy am Nachmittag kam, ruhte sich Tessa gerade ein wenig auf der Veranda aus. Cissy sah wie eine verblühte Blume aus, als sie die Stufen zur Veranda hochstieg: schlapp, mit Staub auf den Kleidern und von der Hitze geröteten Wangen. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben Tessa.
    „Es kann heißer nicht werden, nicht wahr?“, jammerte Cissy.
    „Erzähl mir nicht, dass euer Wohnwagen keine Klimaanlage hat?“
    „Schon, aber gestern Nacht hat sie plötzlich den Geist aufgegeben. Zeke wird sie reparieren. Er repariert alles. Aber heute ist er den ganzen Tag unterwegs. Heute Vormittag war ich im Haus, aber ich möchte nicht, dass die Familie denkt, ich sei eine Last … oder so.“
    Tessa fragte sich, ob Nancy sich als Last gefühlt hatte, als sie schwanger war und bei Billys Eltern in Richmond lebte. Sie würde sie bei der

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