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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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geschenkt hatte, wer ihn jetzt besaß und zu welchem Zweck er verwendet wurde. Drei Geschichten hatte Nancy schon erhalten. Von jeder einzelnen war sie zu Tränen gerührt.
    Nancy sah kurz auf ihre Armbanduhr und verzog das Gesicht. Es war immer noch früh. Wenn sie jetzt nach Hause fuhr, war Billy möglicherweise noch dort. Sie vermied es, ihn zu treffen. Das stimmte natürlich, Tessa hatte vollkommen recht. Ihre Vision, wie sie sich selbst jetzt sah, war noch zu zerbrechlich, um sie jemandem mitzuteilen. Sie hatte schon einmal ihre Identität aufgegeben – verdammt, sie hatte sie geradezu mit so einer Wucht weggeworfen, dass sie erstaunt war, dass jetzt überhaupt noch Reste davon übrig waren. Aber sie wusste, dass sie angreifbar war, weil ihr Bedürfnis nach Liebe und Akzeptanz immer noch so überwältigend war, und dass sie ihre neuen Erkenntnisse vor ihrem Ehemann noch nicht enthüllen dürfte, in der Hoffnung, er bestärke sie in ihrer Entwicklung.
    Als hätte ihn dieser Gedanke herbeibeschworen, kam Billy gerade in diesem Moment um die Ecke der Kirche. Er sah so aus, als würde er jemanden suchen. Sie überlegte sich tatsächlich, ob sie sich hinter einer Eiche verstecken sollte, damit er sie nicht finden konnte. Doch dann wurde sie sich darüber bewusst – all dies ging ihr im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf –, wie kindisch ihr Verhalten wäre. Sie war mit Billy Lee Whitlock verheiratet, und vielleicht war ihre Ehe in den wesentlichen Aspekten, denjenigen, die am meisten zählten, gescheitert, aber sie konnte nicht einfach so tun, als wäre es nie geschehen.
    Sie ging aus dem Schatten des Baumes in den Sonnenschein hinaus und wartete auf ihn. Die Zeit, die er brauchte, um zu ihr zu gelangen, schien ihr wie die längsten Momente in ihrem Leben.
    „Tessa sagte mir, dass ich dich hier finden würde.“ Er beugte sich zu ihr herunter, um sie zur Begrüßung auf die Wange zu küssen.
    Sie fragte sich, ob andere Paare, die in demselben Alter wie sie waren, auch nur einen kurzen Kuss zur Begrüßung austauschten. Hatte sie jemals mehr mit Billy verbunden als das? Sie konnte sich kaum daran erinnern. An Leidenschaft im Schlafzimmer, daran hatte sie Erinnerungen. Aber in den anderen, alltäglichen und häufigeren Momenten des Zusammenlebens?
    „War etwas zu Hause?“, wollte sie wissen. „Wolltest du mich deshalb sprechen?“
    „Nein, alles ist in Ordnung.“ Er trat zurück, um sie besser ansehen zu können, als sehe er zum ersten Mal, dass sie sich auch äußerlich verändert hatte. „Du hast einen anderen Haarschnitt.“
    „Ich war es leid, so ein Aufhebens darum zu machen.“
    „Es gefällt mir so.“
    Sie wartete auf den Schwall der Dankbarkeit, der sich immer bei ihr bemerkbar machte, wenn Billy ihr ein Kompliment gemacht hatte. Sie stellte zufrieden fest, dass er dieses Mal ausblieb. „Ich bin froh, dass zu Hause alles in Ordnung ist. Bei der Arbeit läuft es gut?“
    „So gut, wie es nun mal geht, wenn die Rente weniger und weniger wird, gleichgültig, was ich auch anstelle.“
    Sie spürte keine riesige Welle Sympathie mit ihm, nur so viel, dass sie sich halbwegs angenehm menschlich fühlte. „Wahrscheinlich hast du das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämpfen. Was bleibt dir anderes übrig?“
    Er lächelte ein wenig. „Genau.“
    Sie wartete darauf, dass er noch etwas sagte, ihr vielleicht erklärte, warum er hergekommen war. Sie fragte sich, wie häufig sie schon befürchtet hatte, dass Billy ein Gespräch mitden Worten „Nancy, du weißt, dass unsere Ehe nicht funktioniert, nicht wahr?“ beginnen würde. Nun wartete sie fast gespannt darauf, dass er so etwas Ähnliches sagen, die Beziehung beenden und endgültig ihrer Angst, dass er sie verließe, ein Ende setzen würde.
    Aber stattdessen sagte er: „Tessa hat mir von der Quilt-Ausstellung erzählt. Das ist eine nette Idee.“
    Nett war nicht direkt das Wort, das sie gewählt hätte. Sie redete sich ein, dass Billys Aussage nicht gönnerhaft gemeint war, aber sie war sich nicht sicher, ob sie sich selbst das wirklich abnahm.
    „Ja, nun, Helen verdient wirklich etwas Anerkennung. Aber sie wird sich unglaublich darüber aufregen, wenn sie davon erfährt.“
    Dann lächelte er aus ganzem Herzen, zum ersten Mal, wie Nancy feststellte. „Du wirst schon einen Weg finden, dass sie sich wieder beruhigt. Du schaffst das doch immer.“
    „Ich will weder sie noch sonst jemanden beruhigen.“
    Er sah überrascht aus.
    „Ich möchte

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