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Sommer der Entscheidung

Sommer der Entscheidung

Titel: Sommer der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emilie Richards
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passiert euch vielleicht eines Tages dasselbe.“
    „Viele dieser alten Geschichten sind wahr“, sagte jemand.
    „Das kannst du wohl glauben. Nun, jedenfalls gab es einmal einen kleinen Jungen, der Herman hieß. Niemand hat mir seinen Nachnamen verraten, und ich habe auch nie danach gefragt. Ihr werdet schon sehen, warum. Egal, Herman wachte eines Sonntagmorgens auf, und an diesem Tag war es ziemlich heiß. Er beschloss, lieber zum Schwimmen zu gehen als zur Kirche, wo es wahrscheinlich noch heißer gewesen wäre.“
    „Das habe ich mir auch schon ein oder zwei Mal gedacht“, sagte jemand, und die anderen lachten. „Also, dieser Herman kannte einen tollen Badeteich auf der Farm des Diakons. Und er dachte sich, dass der Diakon in der Kirche sein müsste, so wie er ja eigentlich auch. Also ging er hinüber zudiesem Teich und zog sich splitternackt aus. Aber gerade als er ins Wasser springen wollte, hörte er ein Geräusch hinter sich …“
    Wieder hielt Helen den Atem an, diesmal allerdings, weil sie die ganze Geschichte bildlich vor sich sah.
    „Was für ein Geräusch?“, fragte Mavis.
    „Na ja, es gehörte zu der Sorte Geräusch, die keine von uns jemals hören möchte. Es kam vom Stier des Diakons, ein wilder Stier noch dazu, der normalerweise auf einer anderen Weide gehalten wurde. Der gute Herman sah, wie das Tier geradewegs auf ihn zustürmte, und er hatte eine Heidenangst, das kann ich euch sagen.“
    „Zu Tode erschrocken und splitternackt“, stellte Delilah fest. Helen konnte ihr Schmunzeln fast hören.
    „Herman hatte keine Zeit nachzudenken. Er tat das Einzige, was ihm noch übrig blieb. Als der Stier versuchte, ihn auf die Hörner zu nehmen, sprang er nach links. Und als er einen neuen Angriff startete, da packte Herman schnell den Schwanz des Tiers, um hinter ihm zu bleiben. Der Stier rannte los, er rannte und rannte, und der nackte Junge hing dabei an seinem Hinterteil. Schließlich wurde der Stier müde und blieb unter einem Baum stehen.“
    „Das muss ja ein schönes Bild gewesen sein, mit diesem Herman“, bemerkte eine Frau. „Was für ein Anblick!“
    „Das kann ich euch sagen“, meinte Becky. „Aber als der Stier erst einmal stillstand, um sich auszuruhen, tja, da ergriff Herman die Gelegenheit. Er kletterte auf den Baum hinauf, erst auf einen niedrigen Ast, dann auf einen höheren. Es dauerte nicht lange, und er saß ganz oben in dem Baum und dachte, er wäre in Sicherheit.“
    „Aber das war er nicht?“, fragte Lenore. „Er war nicht in Sicherheit?“
    „Im Gegenteil. Wisst ihr, es gab ein Hornissennest in diesemBaum, und denen gefiel der unerwünschte Besuch ganz und gar nicht. Also machten sie sich an die Arbeit. Pieks, pieks, pieks.“
    Helen zuckte zusammen. Ihr tat der Junge wirklich leid. Schrecklich leid sogar.
    „Also, Herman wusste natürlich, dass er etwas unternehmen musste. Also schwang er sich auf einen Ast, ließ sich auf den Rücken des Stieres fallen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Der alte Stier war natürlich noch nie geritten worden, also rannte er wieder los und wurde immer schneller, bis er einen Zaun durchbrach und den Weg Richtung Kirche einschlug.“
    „Oh, nein!“, kicherte Lenore. „Und der Junge war doch nackt!“
    „Herman dachte, er wäre geliefert, das kann man sich denken, oder? Der Stier schlug aus wie ein Pferd und bäumte sich auf, und Herman dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. Und ich kann euch versichern, es tat ihm sehr leid, wirklich sehr sehr leid, dass er mit dem Stier direkt auf die Kirche zustürmte, wo er vor den Augen all seiner Bekannten auf seinen Schöpfer treffen sollte – und das auch noch gänzlich unbekleidet.“
    „Ich schätze, er hat sich gewünscht, er wäre einfach zur Kirche gegangen“, sagte Mavis. „Keine Predigt auf der Welt kann schlimmer sein als so etwas.“
    „Keine einzige“, stimmte Becky zu. „Tatsächlich war gerade in diesem Moment der Gottesdienst aus. So lange hatte das alles gedauert. Die ganzen Leute kamen also aus der Kirche und sahen einen Stier mit einem seltsamen Anhängsel auf sich zurasen. Die Frauen fingen an zu schreien, und die Männer fluchten, obwohl einige das Gotteshaus noch nicht einmal verlassen hatten.“
    Alle schüttelten missbilligend den Kopf.
    „Aber wie auch immer, der Stier sah die Menschenmenge aus der Kirche strömen und entschloss sich spontan zu einer Umkehr, um nicht gegen die Kirchenmauer zu prallen. Also machte er eine Kehrtwende und

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