Sommer der Entscheidung
Bienenwachs und Terpentin poliert, die Delilah selbst herstellte.
In dieser Zeit erledigte Helen meistens alles, was es im Haus zu tun gab. Als einziger Tochter fiel ihr die Frauenarbeit zu, damit Delilah die Arbeit ihres Mannes im Haus übernehmen konnte. Cuddy kam nach Hause, nachdem es dunkel geworden war, und verließ es wieder, bevor die Sonne aufging, aber niemand beschwerte sich darüber. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnten sie sich wieder die Dinge leisten, die sie nicht selbst herstellten oder ernteten: Kaffee, Salz und Zucker. Zuvor hatte Delilah immer versucht, sie gegen Eier oder Butter einzutauschen.
Zunächst leerte Helen die Nachttöpfe. Sie hasste diese Arbeit und erledigte sie deshalb als Erstes. Danach wusch sie sich an der Pumpe im Hof die Hände und ging ins Haus zurück, um mit dem Staubwedel ihrer Mutter alle Oberflächen, an die sie heranreichte, zu bearbeiten. Dann mussten die Betten gemacht und das Geschirr abgewaschen werden. Bevor die Damen aus der Nachbarschaft, die Stoneburner-undLichliter-Frauen, die nah genug wohnten, um zu Fuß zu gehen, oder mit einem Wagen mitfuhren, ankamen, war das Haus so sauber, dass Delilah zufrieden damit war. Helen wusste, dass sie mit ihrer Arbeit die Ansprüche ihrer Mutter erfüllte, denn Delilah hatte keine einzige Kleinigkeit bemängelt.
Heute fand ein besonderes Quilt-Treffen statt. Jede Frau hatte einen „Freundschafts-Flicken“ erstellt und darauf unterschrieben. Er war für den Lehrer der Dorfschule bestimmt, der fortzog. Es tat Helen leid, dass er wegging. Er hatte ihr Bücher aus seinem Privatbestand geliehen und hatte ihr geholfen, die schwierigsten Wörter zu begreifen, ohne dass sie sich dabei dumm vorkam.
Helens Tante Mavis hatte alle Flicken für den Freundschafts-Quilt eingesammelt und zusammengenäht. Das war die obere Decke für den Quilt. Nun ging es noch darum, die mittlere Lage, also den Vliesstoff, und den Stoff für die Unterseite miteinander zu verbinden. Heute würde der Quilt mit Hilfe aller fast fertig gestellt werden.
Delilah hatte sich dazu bereit erklärt, den Rest zu quilten und den Saum rechtzeitig fertig zu nähen, um die Decke am letzten Schultag übergeben zu können.
Tante Mavis war die Erste, die an kam. Den Ober stoff hatte sie sorgfältig zusammengefaltet unter den Arm geklemmt. Es war Helens Lieblingstante, Delilahs jüngste Schwester. Mavis schien sich immer noch daran erinnern zu können, was es hieß, das jüngste Kind in der Familie zu sein. Heute fand sie Helen im Haus und drückte sie zur Begrüßung an der Schulter, wie immer. Dann zwinkerte sie Helen zu und präsentierte ihr einen Beutel, der oben mit einer Schnur zugebunden war.
„Habe ich dir mitgebracht, Lenny“, sagte sie und tauschte das Stoffsäckchen gegen den Besen ein, den Helen in derHand hielt, damit sie es aufmachen konnte.
„Was ist da drin?“ Helen versuchte aufgeregt, den Knoten zu lösen. Aber ihre sonst so geschickten Finger schienen sich vor lauter Begeisterung zu verknoten.
„Warts ab.“ Mavis fegte eine Staubfluse von der Türschwelle. „Ist sonst schon jemand eingetroffen?“
„Noch nicht. Ich weiß nicht, wer alles kommen wollte, aber wir haben oben ein Zimmer hergerichtet für euch. Und es gibt zum Abendessen Hühnchen.“
„Das ist ein guter Grund, um zu bleiben.“
Helen hatte endlich den Knoten aufgemacht, und sofort ging das Säckchen auf und offenbarte seinen Inhalt: Flicken in allen Regenbogenfarben.
„Tante Mavis!“ Sie wühlte in den Stoffresten. „Die sind alle für mich?“
„Nur ein wenig von diesem und jenem für deinen Wedding-Ring-Quilt. Ein paar Stoffe stammen von der Nachbarin, ein bisschen von meinem alten Kleid, das fast auseinanderfiel und das ich nicht mehr herrichten konnte. Und das Beste von allem ist, da ist auch ein Stückchen von dem Kleid, das deine Großmutter zur ihrer Hochzeit getragen hat.“ Mavis suchte in dem Beutel mit spitzen Fingern nach einem Stoffrechteck, das mit winzigen verblichenen Rosen bedruckt war. „Hier ist es. Ich wusste, dass du schöne Muster haben wolltest, und das habe ich dir mitgebracht.“
„Sie sind hübsch! Jetzt kann ich neue Flicken nähen.“ Helen rollte den Beutel zusammen, damit nichts herausfiel. „Es ist so viel. Danke schön!“
Mavis schob eine Strähne aus dem eckigen Gesicht ihrer Nichte. „Du wirst jedes Mal an mich denken, wenn du es anschaust. Deswegen habe ich dir den Stoff mitgebracht. Damit du dich an mich erinnerst.“ Sie
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