Sommer der Entscheidung
wollte nicht, dass er sie erreichen konnte, um die Unterhaltung fortzusetzen. Damit zeigte sie noch mehr von dem passivaggressiven Verhalten, von dem es schon genug in ihrem Leben gab.
„Das nächste Mal denke ich daran, euch anzurufen“, versprach Tessa. „Aber du musst nicht aufbleiben. Ich fahre vorsichtig.“
„Wir wissen beide, dass vorsichtig sein nicht davor schützt, zu sterben, nicht wahr?“
Tessa ließ sich neben ihren Tüten auf das Sofa nieder. Sie erinnerte sich an die Tasche neben ihr. „Guck mal, was ich heute gefunden habe.“ Sie öffnete die Tüte und zog ein großes Buch heraus, das einen weichen, glänzenden Einband hatte. „Es ist ein Ratgeber, wie man alte Quilts restauriert. Und ich habe mich im Laden erkundigt, wie man so etwas macht. Außerdem habe ich einige Sachen gekauft, die sie mir dort empfohlen haben. Sie haben so etwas wie eine Expertin, die dort arbeitet. Sie sagte mir, ich könne jederzeit vorbeikommen, und sie würde sich den Quilt ansehen.“
„Du willst sie das machen lassen?“
Tessa hatte sich das auch schon überlegt, aber schließlich hielt sie nichts davon, jemand anderen die Decke flicken zu lassen. Helen hatte die Oberdecke genäht. Nancy hatte die Lagen gequiltet. Es schien nur sinnvoll, dass sie selbst die Decke restaurierte.
„Ich werde das machen.“ Tessa glaubte einen zustimmenden Blick in Helens Augen zu sehen. „Zuerst muss ich herausfinden, was erhalten bleiben kann und was ich ersetzen muss. Marilyn – die Verkäuferin in dem Laden – sagte, ich solle mich auf die Suche nach Stoff machen, der zum Rest der Decke passt, damit ich Stücke ersetzen kann, die kaputt sind.“
„Neuen Stoff?“
„Nicht, wenn ich etwas anderes gefunden habe. Alte Stoffe aus den Zwanzigern und Dreißigern wären gut, nehme ich an. Wie die Stoffe, die du damals gekauft hast. Und wenn sie zu neu aussehen, soll ich sie bleichen.“
„Bleiche wird sie angreifen. Die nächste Generation muss den Quilt dann wieder restaurieren.“
Tessa wies Helen nicht darauf hin, dass es keine nächste Generation geben würde. Mit ihr würden die Stoneburner-Gene aussterben. „Marilyn schlug vor, ich solle die neueren Flicken auf die Fensterbank legen, damit die Sonne sie bleicht.“
Helen verzog das Gesicht, als würde sie nachdenken. „Hört sich so an, als wüsste die Frau, worüber sie redet.“
Das war die höchste Form der Zustimmung. Tessa war froh, Helen für das Projekt gewonnen zu haben. „Erinnerst du dich daran, dass ich vor einigen Tagen erzählt habe, dass ich eine Schachtel mit Futtersäcken auf dem Boden gefunden habe? Ich hoffe, dass ich davon etwas als Ersatz für kaputte Flicken benutzen kann. Was meinst du?“
„Das könnte funktionieren. Aber ich habe viele Kisten mit Flicken. Du brauchst nicht weit zu laufen, um zu finden, was dir fehlt. Ich nehme an, dir muss ich nicht erzählen, dass ich vieles aufgehoben habe.“
Tessa lächelte. „Nein, ich weiß. Ich nehme an, dass du nicht …“
„Was?“
„Na ja, ich habe Marilyn erzählt, dass es einen Stoff gibt, der relativ häufig vorkommt. Es ist ein hellblauer Stoff mit weißem Karomuster, aus dem du den Saum genäht hast. Es sieht fast aus wie eine Art Leinen oder Jeansstoff, aber er ist viel feiner. Einige Teile sind noch heil, aber andere müssen ersetzt werden. Sie sagte, weil es so häufig vorkommt, müssen wir Stoff finden, der genauso aussieht, und das könnte schwierig werden.“
Helen seufzte. „Von diesem Stoff habe ich noch mehr. Ich habe kein einziges Fitzelchen weggeworfen. Und ich habe es auch in keinem anderen Quilt verwendet. Es müsste noch genügend da sein.“
Tessa war überrascht, dass ihre Großmutter sich daran erinnern konnte, was sie vor siebzig Jahren oder mehr mit Stoffflicken gemacht hatte. „Ist es dein Ernst, dass du dich noch daran erinnerst? Kannst du dich an jeden einzelnen Stoff erinnern, den du je in einem Quilt vernäht hast?“
„Ich bin sicher, dass ich mich an diesen erinnere.“ Helen stand auf. „Komm mit, ich zeige ihn dir.“
„Wo?“
„Oben, auf dem Dachboden.“
„Wir werden Mama aufwecken.“
„Das ist gut so, das bezwecke ich auch damit.“
Tessa ging davon aus, dass nachts auf den Boden zu gehen ebenso gut oder schlecht war wie tagsüber. Jetzt wäre es dort oben zumindest kühler als am Tage, und sie konnte die Abwechslunggut gebrauchen. Sie hob die Tüte vom Restaurant an. „Ich habe etwas zu essen mitgebracht. Ich tue es in den
Weitere Kostenlose Bücher